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Demonstration in Dänemark gegen die Einstufung der "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE) als Terrorgruppe durch die EU. Proteste waren Teil eines europaweiten Aktionstages am 29. Mai 2006 von Exil-Tamilen, um die Regierung von Sri Lanka aufzufordern, die Ermordung von Zivilisten zu beenden.

foto: ap/JOHN MCCONNICO
Die Anschläge der "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE) seien zwar nicht zu rechtfertigen, die Einstufung der Gruppe von Seiten der EU als "Terroristen" sei jedoch "einseitig", meint Suthagar Sivaganam , Vertreter einer tamilischen Jugenorganisation in Deutschland, im Interview mit derStandard.at. Er beschuldigt die singhalesische Regierung Sri Lankas bei Anschlägen die Schuld auf die LTTE zu schieben, ohne dafür Beweise vorbringen zu können und fordert "ehrliche" Verhandlungen mit den Tamilen. Die Fragen stellten Sonja Fercher und Rainer Schüller.

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derStandard.at: Offiziell gilt ein Waffenstillstand zwischen der Regierung Sri Lankas und der LTTE, allerdings wurde bei einem Anschlag vor wenigen Tagen neuerlich ein hoher Militär getötet. Warum brechen die Befreiungstiger den Waffenstillstand?

Suthagar Sivaganam: Bisher konnte die Regierung nicht eindeutig beweisen, dass die LTTE in diese Sache verwickelt ist. Immer wieder versucht sie, die Schuld auf LTTE zu schieben, um diese in Misskredit zu bringen. Der letzte Anschlag ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Regierung ohne zu zögern die LTTE beschuldigt.

Es gibt zahlreiche Beweise, dass die sri-lankischen Truppen den Waffenstillstand gebrochen haben, erst vor ein paar Wochen haben Soldaten zwei Kinder und ihre Eltern kaltblütig ermordet.

derStandard.at: Kofi Annan warnte kürzlich davor, dass ein neuer Bürgerkrieg bevorstehen könnte. Wiederholt sich die Geschichte?

Sivaganam: Es ist sehr bedauerlich zu hören, dass ein neuer Bürgerkrieg unvermeidlich wird. Wir Tamilen möchten nicht, dass die Geschichte sich wiederholt. Die singhalesische Regierung soll ihre Doppelmoral aufgeben und uns zeigen, dass sie wirklich den Frieden will.

derStandard.at: Was sind eigentlich die Anliegen der Tamilen?

Sivaganam: Die Tamilen möchten ein unabhängiges Land haben und wollen ihre Zukunft selbst bestimmen. Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass die singhalesische Regierung niemals unsere Rechte gewährleisten kann.

derStandard.at: Wie ist die Meinung bei der tamilischen Bevölkerung? Hat die LTTE hier noch Unterstützung?

Sivaganam: Die Mehrheit der Tamilen im Ausland sieht die LTTE als ihre politische Vertretung.

Während des 20-jährigen Bürgerkriegs starben mehr als 70.000 Menschen, über 90 Prozent davon waren Tamilen. Immer noch wird Sri Lanka als Urlaubsparadies dargestellt. Aber wer im Nordosten des Landes war, weiß ganz genau, dass die einheimischen Tamilen täglich in Angst leben. Viele haben ihre Häuser verloren und leben im Flüchtlingslager.

Zudem lebt das tamilische Volk zerstreut auf der ganzen Welt: In Kanada leben über 250.000 Tamilen, in England fast 200.000, in Indien leben über 150.000 tamilische Flüchtlinge aus Sri Lanka, auch in Deutschland gibt es circa 65 000 Tamilen. Ob sie die LTTE unterstützen oder nicht, ist eine andere Frage. Aber niemals können wir der sri-lankischen Regierung vertrauen.

derStandard.at: Sind die Anschläge der LTTE Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?

Sivaganam: Die Anschläge auf Zivilisten hat die LTTE stets verurteilt. Ich werde solche Anschläge auch nicht unterstützen bzw. rechtfertigen.

derStandard.at: Bei dem Anschlag im April hat eine andere Gruppierung als die LTTE namens "High Security Zone Residents' Liberation Force (HSZRLF)" die Verantwortung übernommen. War wirklich eine andere Gruppierung am Werk oder versucht die LTTE nur abzulenken?

Sivaganam: Leider kann man nicht viel über diese Gruppe sagen, weil sie nicht genau identifiziert wurde. Aber es ist uns klar, dass diese Gruppe gegen die Unterdrückung von sri-lankischen Soldaten kämpft, man kann sie also als Anti-Regierungs Gruppe bezeichnen.

Die Soldaten demütigen die tamilische Jugend beziehungsweise Männer, regelmäßig werden tamilische Frauen in den Soldaten kontrollierten Gebieten sexuell belästigt. Viele werden ohne einen Grund verdächtig und erschossen. In den letzten Monaten wurden sehr viele Tamilen in Jaffna und außerhalb erschossen und hinterher sagt die Regierung "das waren LTTE-Mitglieder". So hat die Regierung in der Vergangenheit immer ihre Taten gerechtfertigt. Das schafft den Nährboden für die Entstehung einer Gruppe.

derStandard.at: Die LTTE hat kürzlich ein Gesprächsangebot der Regierung ausgeschlagen, wollen sie keinen Frieden?

Sivaganam: Die Regierung und viele westliche Medien haben die ganze Sache falsch interpretiert: In Wirklichkeit war und ist die LTTE immer zu Verhandlungen bereit. Bei den letzten Verhandlungen in Genf (Schweiz) wurden an die Regierung einige Forderungen gestellt, unter anderem die Entwaffnung des Paramilitärs.

Stattdessen unterstützt die Regierung weiterhin das Paramilitär. Meiner Meinung nach hat das Paramilitär die Lage komplexer gemacht und unsere Hoffnung getötet.

derStandard.at: Die EU stuft die "Tamil Tigers" als Terrororganisation ein, die LTTE drohte nach der Einstufung mit einem "offenen Krieg". Ist das nicht eine entlarvende Reaktion auf eine solche Einstufung?

Sivaganam: Diese Entscheidung ist einseitig und für uns Tamilen nicht nachvollziehbar. Wenn wir die Hintergründe und die Vergangenheit genau analysieren, wird jedem klar, wer diesen Titel verdient hat. Schade, dass die EU ihre Neutralität nicht bewahrt hat.

Die LTTE hat immer gesagt, dass die Einstufung den Friedensprozess und die Situation verschlechtern wird.

derStandard.at: Was wären die Voraussetzungen für ein Ende der Gewalt? Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass sich die Lage wieder beruhigt?

Sivaganam: Die Regierung soll das Paramilitär entwaffnen bzw. abschaffen. Sie soll die LTTE als tamilische Vertretung akzeptieren und ehrlich mit der LTTE verhandeln. Außerdem sollen die SL-Soldaten die besetzten Wohngebiete der Tamilen in Jaffna aufgeben, wo sie ihre Militärbasis aufgebaut haben.

Es ist nicht einfach zu sagen, ob sich die Situation beruhigen wird. Momentan sieht alles düster aus.