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Gegenseitiges Trösten von Nöten.

Foto: Getty/Mason
Wien/Köln - Wie grausam Fußball sein kann, das haben am Montag die Achtelfinale-Spiele der 18. WM-Endrunde in Deutschland deutlich vor Augen geführt. Zuerst wurde in Kaiserslautern Italien gegen Australien ein mehr als fragwürdiger Elfer, der in der 95. Minute das 1:0 brachte, zugesprochen, und Stunden später erlebte die Schweiz in Köln ihr Elfer-Drama. Ohne ein einziges Tor in der regulären Spielzeit plus einer Verlängerung in vier Partien kassiert zu haben, musste Österreichs EM-Partner von 2008 nach der 0:3-Lotterie gegen die Ukraine die Weltbühne verlassen.

Eine WM-Premiere

Noch nie zuvor in der WM-Historie hatte bisher ein Team ohne Gegentor Abschied nehmen müssen, aber auch noch nie hat es in bisher 17 Elferschießen von FIFA-Endturnieren ein Land erwischt, das nach Verlängerung vom ominösen Punkt nicht getroffen hat. Die Eidgenossen, die mit ihren Auftritten viel Sympathien gewonnen hatten, verstanden die Fußball-Welt nicht mehr. Dabei hatte an diesem Abend nach schwachen 120 torlosen Minuten in Köln die Penalty-Entscheidung verheißungsvoll für die Männer mit dem Kreuz auf den Trikots begonnen.

Der ukrainische Kapitän Andrej Schewtschenko scheiterte mit dem ersten Versuch an Keeper Pascal Zuberbühler. Zu diesem Zeitpunkt war Ukraine-Teamchef Oleg Blochin schon längst in die Kabine geflüchtet. "Ich habe es nicht mehr ausgehalten, war viel zu nervös", erzählte der frühere Österreich-Legionär. Als er wieder ins Stadion-Innere kam, war alles vorbei und seine Spieler im Jubeltaumel. "Die zwei Mannschaften waren einander ebenbürtig, nur hatten wir im russischen Roulette mehr Glück", kommentierte Blochin.

"Wir spielten auf Ergebnis"

Dem Ex-Stürmer war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. "Viele Leute haben nicht an uns geglaubt, sie haben uns unfähigen Fußball vorgeworfen. Wir spielten aber auf Ergebnis, haben hart dafür gearbeitet, dass ein Traum Realität wird", erklärte Blochin und stuft die Ukraine im Viertelfinale gegen Italien am Freitag in Hamburg als Außenseiter ein. Die Azzurri seien vor allem in der Defensive stark, da werde es schwierig, Torchancen herauszuarbeiten. Vielleicht trifft dann wieder Schewtschenko, von dem Blochin sagt: "Er wird nach seiner überstandenen Knieverletzung besser und besser."

Es sei nicht so wichtig, wer die Tore schießt, sondern wie das ganze Team spielt. "Schew", der nach der WM für 43,5 Mio. Euro von Milan zu Chelsea wechselt, stellte auch die ganze Mannschaft in den Vordergrund. "Es ist ein historischer Tag für das Team und die Ukraine. Ich freue mich, ein Teil dieser tollen Mannschaft zu sein, die ein großes Herz hat und in der jeder Spieler für den anderen kämpft", sagte der Kapitän, der nicht zum ersten Mal einen wichtigen Elfer vergeben hat.

Schowkowski als Held

Im Mai 2005 hatte er im Champions League-Finale in Istanbul nach 120 Minuten (3:3) gegen FC Liverpool den entscheidenden Penalty bei 2:3 nicht genützt. "Ich habe aber schon viele Elfer in meinem Leben verwandelt, irgendeinmal klappt's eben nicht", meinte der Stürmer, für den in Köln ein anderer in die Bresche sprang. "Ich war sicher, dass unser Torhüter Alexander Schowkowski einige Elfer hält. Er ist ein Großer, der unser volles Vertrauen hat". Der Keeper wehrte die Elfer der "Kölner" Marco Streller und Ricardo Cabanas ab, dazwischen stand ihm die Latte (Tranquillo Barnetta) zur Seite.

Schowkowski, der im Alter von acht Jahren zu Dynamo Kiew kam, seit 1993 Profi ist, als 19-Jähriger sein erstes Länderspiel bestritt und am Montag schon zum 71. Mal den Dress der "Sbirna" trug, kennen international nur Insider. Er wird aber von vielen Teamkollegen als "heimlicher Kapitän" angesehen. Seine Heldentaten beschrieb er so: "Ich habe versucht, völlig abzuschalten und mich nur zu konzentrieren. Mein Erfolgsrezept verrate ich nicht. Ich kann nur sagen, dass ich niemanden kopiere.

Fette Prämie

"Als ich nach dem dritten Schützen der Schweizer auf die Anzeigentafel blickte, wusste ich: Noch ein Treffer und der Traum wird wahr. Und er wurde wahr. Die Emotionen haben mich sofort übermannt, ich wurde fast hysterisch, vermochte meine Gefühle kaum zu zügeln", erzählte der neue Volksheld des WM-Neulings. Über die Finanzierung seines nächsten Urlaubs muss sich Schowkowski keine Sorgen zu machen. Mit seinen Paraden hat er sich und seinen Mitstreitern schon eine WM-Prämie von fast 400.000 Euro beschert.(APA)