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Totti nahm das Geschenk dankend an.

Foto: Reuters/Popov
Kaiserslautern - Totti oder Del Piero oder gar beide? Diese Frage beschäftigt Fußball-Italien seit Jahren und in schöner Regelmäßigkeit. Im WM-Achtelfinale der "Squadra Azzurra" am Montag gegen Underdog Australien bekam Juventus-Urgestein Alessandro Del Piero zunächst den Vorzug gegenüber dem nach einem Wadenbeinbruch gerade rechtzeitig zur WM wieder genesenen Roma-Star Francesco Totti.

Da Del Piero gegen die aufopfernd kämpfenden "Socceroos" 75 Minuten lang aber gar nichts zu Wege brachte, schickte Marcello Lippi den Römer auf den Rasen des Betzenbergs in Kaiserslautern und sollte dafür belohnt werden. Totti kam, nahm in der 95. Minute ein Elfer-Geschenk des spanischen Schiedsrichters Luis Medina Cantalejo dankend an, hämmerte den Ball vom ominösen Punkt eiskalt in die vom Schützen aus gesehene linke Ecke, schoss Italien damit ins Viertelfinale und sich gleichzeitig aus dem Mittelpunkt der Kritik.

Spiel belebt

Der Aufstieg vom Buhmann zum Helden kann schnell gehen - vor allem in Italien. Nach dem Ausschluss im dann verlorenen WM-Achtelfinale 2002 gegen Südkorea, der EM-Spuck-Affäre 2004 und teilweise dürftigen Darbietungen im Nationalteam hatten die italienischen Tifosi nur noch wenig Vertrauen in Totti. Doch dieses rechtfertigte der offensive Mittelfeldmann. Schon vor seinem entscheidenden Tor hatte er das Spiel mit gefährlichen weiten Pässen auf die Stürmer belebt.

"Das war das entscheidende Tor zum Viertelfinale. Ich widme es meiner Frau Ilary und meinem Sohn Cristian", erklärte der Matchwinner, der beim Torjubel dementsprechend an seinem Daumen nuckelte (Cristian ist sieben Monate alt) und danach zu einem Seitenhieb auf seine Kritiker ausholte: "Bisher stand ich ja immer im Mittelpunkt der Kritik, doch ich habe auch immer gesagt, dass ich die passende Antwort darauf auf dem Spielfeld geben werden."

Für sein und das gegnerische Team sparte Totti nicht mit Lob: "Wir mussten lange leiden, aber am Ende haben wir das Spiel als Mannschaft, als echte Einheit gewonnen. Dass es bis zur Entscheidung so lange gedauert hat, lag an der starken australischen Mannschaft."

Der AS-Roma-Eigenbauspieler pries die taktische Disziplin der "Squadra Azzurra" nach dem unberechtigten Ausschluss von Materazzi in der 51. Minute: "Es war sehr wichtig, dass wir nach der Roten Karte nicht den Kopf verloren haben." Für Totti gehört Italien nun zu den Titelfavoriten. "Ich denke, dass wir in diesem Turnier noch eine lange Strecke vor uns haben."

Sein Teamchef Marcello Lippi zweifelte laut eigenen Angaben keine Sekunde am Weiterkommen. "Ich hatte keine Angst, auszuscheiden. Notfalls wären wir in die Verlängerung und auch ein Elfmeterschießen gegangen", meinte der 58-Jährige und ergänzte: "Wir haben in der 1. Hälfte nichts zugelassen und selbst vier Riesenchancen heraus gespielt. Selbst in Unterzahl haben wir dem Gegner wenig Platz eingeräumt, auch wenn wir natürlich gelitten haben."

Die schwer übertriebene Rote Karte für Materazzi nach einem Foul an der Strafraumgrenze wollte Lippi nicht direkt kommentieren: "Ich habe die Situation nicht gesehen. Aber ich habe mir sagen lassen, dass die Rote Karte nicht gerechtfertigt war. Wir haben nach dem Ausschluss großes Herz, Charakter und Klasse gezeigt. Ich hoffe, dass ist die Initialzündung für die Mannschaft. Ich bin überglücklich und sehr zufrieden."

Seinen exzentrischen Edel-Joker Totti dürfte Lippi gut kennen: "Beim Elfmeter habe ich einen Lupfer befürchtet, aber Totti hat das mit Bravour erledigt. Ich hoffe, dass ihm dieses Tor einen Schub gibt." Warum er ihn nicht von Beginn an gebracht hat? "Weil er zuletzt müde war. Deshalb wollte ich ihn im Laufe des Spiels einwechseln."(APA)