Carlos Guerreiro, "Senior Engineering Manager" des Open Source-Bereichs bei Nokia im Gespräch auf der GUADEC

Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at
Einer der Vorträge auf der derzeit stattfindenden GNOME-Konferenz GUADEC trägt den Titel "Moving the Nokia Internet Tablet closer to GNOME". Dass es dem Telekommunikations- unternehmen - auch über bestehende Produktgenerationen wie das Web-Tablet Nokia 770 hinaus ernst ist - mit seiner Open Source Plattform Maemo ist, ist auf der Konferenz unübersehbar.

Unterstützung

Neben dem Umstand, dass man mehr EntwicklerInnen vor Ort hat als "alte Hasen" wie Red Hat oder Novell, zeigt sich dies auch darin, dass Nokia der einzige "Cornerstone Sponsor" der GUADEC ist, also auch finanziell einiges zum Gelingen des Events beiträgt. Für die Open Source-Abteilung des Unternehmens sei die Konferenz die wichtigste des Jahres, so Carlos Guerreiro, als "Senior Engineering Manager" für diesen Bereich zuständig. ez könnte man die Maemo-Plattform auch als eine Art "Embedded GNOME" bezeichnen.

Jobsuche

Zusätzlich ist das Unternehmen derzeit aktiv auf der Suche nach einer Reihe von neuen EntwicklerInnen, die das eigene Open Source-Team verstärken sollen. Da kommt die GUADEC nicht ungelegen, schließlich sind hier zahlreiche erfahrene GNOME-EntwicklerInnen vertreten, wie Guerreiro, im Gespräch mit dem WebStandard unumwunden zugibt.

Ausbau

Immerhin will man fleißig am eigenen Handheld-System Maemo weiter bauen, das auf zahlreichen GNOME-Technologien wie GTK+ und GStreamer aufsetzt. Diese als Basis für das Handheld-OS Maemo zu verwenden, war für Guerreiro eine logische Wahl: "Natürlich hätten wir auch ein schmaleres Toolkit als GTK+ suchen können, welches unter Umständen sogar besser für eine Handheld-Umgebung geeignet wäre, weil es weniger Ressourcen verbraucht. Allerdings waren auch die Flexibilität und die Möglichkeit einfach Anwendungen aus dem Desktop-Bereich zu portieren wichtige Punkte für die Wahl".

Auswahl

Dadurch seien nur zwei Lösungen übrig geblieben: QT - auf das KDE setzt - oder eben GTK+. Dass man sich letztlich für GTK+ entschlossen hat, liegt vor allem daran, dass man es bei QT mit einer einzelnen Firma (Trolltech) zu tun gehabt hätte, wohingegen die Mitarbeit an GTK+ weiter gestreut ist, was das Einbringen eigener Patches vereinfache. Außerdem habe GTK+ eine liberalere Lizenz, wenn es um kommerzielle Anwendungen gehe.

Interesse

Von dieser Wahl würden beide Seiten profitieren, zeigt sich Guerreiro überzeugt. Denn schließlich sei das Nokia 770 von der Leistungsfähigkeit her nicht weit von einem älteren Laptop - oder auch der Hardware des 100-Dollar-Laptops-Projekts - entfernt. Die Entwicklung für das Handheld-Device sei dadurch auch für Desktop-Optimierungen sehr hilfreich, schließlich man müsse an sich sparsamer programmieren - auch kleine Memory Leaks, die auf einem aktuellen PC vielleicht gar nicht auffallen würden, kann man sich beim 770 nicht leisten.

Optimierungen

Um den Speicherhunger der Linux-Umgebung zu minimieren hat man einige Optimierungen vorgenommen, die künftig auch ihren weg in den "offiziellen" GNOME schaffen könnten. So wurden etwa eine Reihe von Komponenten vom der Interprozesskommunikationslösung Bonobo auf das neuere D-Bus portiert, nur eine der Lösungen zu verwenden bedeutet eben auch weniger RAM-Verbrauch. Natürlich kann man aber nicht alle Komponenten für die eigenen Zwecke anpassen, durch die kleinen Abmaße des Geräts musste zum Beispiel mit "Hildon" eine eigenes User Interface entwickelt werden.

Auslieferung

Mit dem derzeitigen Stand der Entwicklung ist man jedenfalls nun bereits recht zufrieden, auch die Stabilität des Systems soll mit Maemo 2.0 deutlich besser werden. Eine erste Testversion der neuen Softwaregeneration hatte man erst unlängst veröffentlicht, dieser soll schon bald die fertige Release folgen: "Ursprünglich hatten wir Ende Juni anvisiert, nun werden es wohl maximal ein paar Tage mehr werden.", so Guerreiro. Bis dahin sollen vor allem noch die verbliebenen Bugs aus der Testversion beseitigt werden.

Ausprobieren

Angefangen hat das Maemo-Projekt laut Guerreiro als ein Experiment, man wollte testen, was mit dem Open Source-Entwicklungsprozess erreichbar ist - wie sich zeigte sehr erfolgreich. Mittlerweile hat sich rund um das Device eine recht lebendige EntwicklerInnenszene entwickelt, auch wenn Guerreiro durchaus bewusst ist, dass man in der Zusammenarbeit noch einiges verbessern könnte.

Defizite

Vor allem im Bezug auf die "Offenheit" der Entwicklung bestehe noch Nachbesserungsbedarf, vor allem was die Transparenz der Nokia-intern vorgenommenen Entwicklung betreffe. Bisher sei es für externe MithelferInnen nicht leicht zu wissen, auf welchem Codestand Nokia selbst gerade ist, und welche Patches bereits eingespielt wurden. Derzeit sind auch noch nicht alle Kernkomponenten Open Source, dies hat laut Guerreiro aber unterschiedliche Gründe: Manche wie die Handschriftenerkennung seien von Drittanbietern übernommen worden, da lasse sich also nicht viel machen, bei anderen entspreche der Code einfach noch nicht "gut genug".

Aufgaben

In technologischer Hinsicht soll auch in Zukunft die Reduktion des Ressourcenverbrauchs eine wichtige Rolle spielen. Vor allem das Speichermanagement sei derzeit noch nicht optimal gelöst, räumt Guerreiro ein, insbesondere wenn der verfügbarer Speicher einmal an seine Grenzen stößt, könne es haarig werden. Ob man dem von einigen EntwicklerInnen geäußerten Wunsch auf die Aufnahme einer Mono-Portierung nachkommt, steht laut dem Nokia-Entwickler derzeit noch nicht fest, man sehe sich das Ganze erst einmal an.

Opera oder nicht?

Offen lässt Guerreiro auch, ob in Zukunft der Opera-Browser durch eine Eigenentwicklung ersetzt wird. Klar hat es so seine Gründe, warum Nokia die GTK-Portierung der KHTML/Webcore-Rendering Engine - die auch bei Konqueror und Safari zum Einsatz kommt - vorangetrieben hat,insofern "könnte das passieren". Ein fixes "Ja" oder gar ein Zeitrahmen dafür könne er aber derzeit noch nicht geben. (apo)