Wien – In Kambodscha haben
Waisenkinder Warencharakter. Die Armut der Bevölkerung ist groß, die Korruption
allgegenwärtig, und der
Schwarzmarkt wuchert in
dem Ausmaß, in dem betuchte
westliche Kunden auf Kindersuche ins Land strömen. Von
der Adoption zum Kinderhandel ist der Übergang entsprechend nahtlos – zumindest in
der Perspektive von Bertrand
Taverniers bemüht sozialkritischem Film
Holy Lola
.
Ein unerfüllter Kinderwunsch führt auch Pierre
(Jacques Gamblin) und Géraldine (Isabelle Carré), ein junges Ehepaar, nach Phnom
Penh. Mit dessen Blick dringt
man in das Dickicht der Bürokratie des Landes ein, folgt
ihm bei seinem Marathon aus
Konsultationen offizieller und
weniger offizieller Vermittler;
in Waisenhäuser, in denen auf
die beiden eine Enttäuschung
nach der anderen zukommt;
auf kurze Reisen ins Hinterland, wo sie zwar zunächst
scheinbar mehr Erfolg haben –
und dann doch wieder mit leeren Händen dastehen.
Ein Hotel, in dem sich andere Paare mit gleichem Anliegen auf Dauer einquartiert haben, bildet den Gegenort zu
dieser Bewegung mit ungewissem Ende. Hier herrscht eine
Atmosphäre wie in einem
Selbsthilfezentrum vor. Hier
tauscht man sich über seine
wechselvollen Erfahrungen
aus, hat füreinander Tipps bereit – und erholt sich vom aufreibenden Nervenkrieg, den
die Adoptionswilligen auch
dann noch zu bestehen haben,
wenn sie, wie Pierre und Géraldine endlich ein Baby gefunden haben.
Der Fokus auf die Sichtweise der Franzosen schränkt die
analytischen Qualitäten von
Holy Lola
allerdings ungemein
ein. Die Rolle der Bösewichte
haben Amerikaner inne, die
mit ihrem Reichtum das ehrwürdige Prinzip der Adoption
zerstören. Problematischer
wiegt noch der Umstand, dass
Kambodscha nur die Rolle eines negativen Tourismusbilds
innehat: Der Genozid bleibt
eine Anekdote, soziale Hintergründe der Eltern werden bloß
angedeutet und aidsinfizierte
Kinder mit einem mitleidvollen Blick bedacht. Nebenerscheinungen, lästig wie der
Monsunregen, den das altruistische Paar auf dem Weg zum
Kinderglück erdulden muss. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.6.2006)