Sollte das Angebot der G-20-Gruppe bei der WTO durchkommen, drohe der europäischen Landwirtschaft ein Rückgang der Produktionserlöse von rund 25 Prozent wird befürchtet.

Foto:
Wien - In der Endphase der Verhandlungen zu einem neuen Welthandelsregime komme es zu einem "Ausverkauf Europas", kritisiert Rudolf Schwarzböck, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreichs und Präsident des Europäischen Bauernverbandes Copa. Denn die Zeit drängt. Bei der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO, die Mitte bis Ende dieser Woche stattfindet, sollte vernünftigerweise eine Entscheidung getroffen werden, da danach die politischen Mandate einer Reihe von Mitgliedsländern auslaufen.

Den Berechnungen der EU-Bauern zufolge führen die Angebote, die die EU bisher auf den Verhandlungstisch gelegt hat, zu Produktionsverlusten von 17,5 Mrd. Euro. Sollte das Angebot der "G-20"-Länder (dies ist innerhalb der WTO die Gruppe der "Liberalisierer"; ihr gehören Schwellenländer wie Argentinien, Brasilien und China aber auch Entwicklungsländer an) angenommen werden, würde dies einen weiteren Produktionsverlust von 35 Mrd. Euro für die EU-Landwirtschaft bedeuten. Laut Schwarzböck habe es, auch vonseiten des EU-Verhandlungsführers Peter Mandelson, Signale gegeben, dem zuzustimmen, obwohl dies nach Ansicht des Bauernvertreters das EU-Mandat "weit überschreiten"würde.

Die G-20 fordern einen Abbau der Agrarzölle von bis zu 75 Prozent. Die EU hatte 60 Prozent angeboten, die USA Zollkürzungen von 90 Prozent.

Bei den Verhandlungen, deren ursprüngliches Ziel es ist, die Entwicklungsländer mehr in den weltweiten Handel einzubeziehen, spießt es sich einerseits bei den Agrar-Zugeständnissen der EU und den USA. Und die großen Schwellenländer, die von einem freieren Agrarhandel stark profitieren würden, sind nicht bereit, ihre Märkte für Industriegüter und Services ohne weiteres zu öffnen.

Schwarzböck moniert nun, dass im Zuge des gegenseitigen Abtausches die Zugeständnisse, die die europäische Landwirtschaft fordert, "unter den Tisch gefallen sind". Es sind dies vor allem ein verbindlicher "Schutz des geografischen Ursprungs", sowie soziale und ökologische Mindeststandards im Agrarbereich für alle 149 WTO- Mitgliedsländer. Einen Abtausch gebe es bestenfalls zwischen Industrie- und Landwirtschaftsinteressen, so Schwarzböck. (ruz, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.6.2006)