Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/EPA/Gert Eggenberger
"Wenn wir jetzt Schinken hätten, könnten wir Rührei mit Schinken machen, wenn wir Eier hätten." Wenig erbaulich insgesamt stellt sich die Lage für die im Schnee verirrte Protagonistin von Kathrin Passigs Erzählung Sie befinden sich hier dar, mit der die von Daniela Strigl nominierte Autorin am Sonntag in Klagenfurt souverän den 30. Bachmann-Preis gewann. Wie bei Georg Christoph Lichtenbergs "Messer ohne Klinge, dem der Griff fehlt", hat die vom warmen Omelette nur das Wort im Mund. Der Rest bleibt Kälte.

Allerdings nicht für Passig. Sie bringt aus den Kärntner Bergen, in denen sie nun noch etwas klettern will, die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung nach Berlin. Dort nämlich lebt die 1970 im bayerischen Deggendorf geborene Kathrin Passig seit rund 15 Jahren und schreibt - meist gemeinsam mit einer Koautorin, einem Koautor - Kolumnen, die sie auch in Buchform veröffentlicht. Für die taz oder die Berliner Zeitung.

Agentur

Darin sinnt sie Fragen nach wie "träumen amöben im drogenrausch von ihrer steuererklärung?" oder verfolgt die Waren in Berliner Supermärkten dabei, "wie sie permanent in neue Verpackungen schlüpfen und neue Angebote zur Projektion der eigenen Sehnsüchte und Selbstentwürfe liefern." Und prognostiziert die große Zukunft des Dusch-Jogurts. Gemeinsam mit Freunden gründete sie vor Jahren die Zentrale Intelligenz Agentur (www.zentrale-intelligenz-agentur.de), wo das Kontakt-Verzeichnis Agentin Passig als zuständig für "Taktik, Technik und Theorie" führt.

Die ZIA wiederum ist, laut Eigendefinition, "ein kapitalistisch-sozialistisches Jointventure mit dem Anspruch, neue Formen der Kollaboration zu etablieren." Und das offenbar in Höchstgeschwindigkeit: Bereits wenige Minuten nach der Preisverleihung in Klagenfurt an Kathrin Passig fand sich diese samt Foto in der Rubrik "Lagebericht" der ZIA dokumentiert.

Vor ihrer Agenten-Karriere war Passig, die Germanistik und Anglistik studiert hat, einige Jahre Krimi-Buchhändlerin. Eine Liebe, die inzwischen allerdings ebenso erkaltet ist wie der Schnee, durch den sie die zunehmend orientierungslose Existenz ihrer Erzählerin schickt, der LeserInnen nicht wenig neues Wissen verdankt, etwa über den Unterschied von Hasen und Kaninchen. Oder über den Hintergrund der viel zitierten Behauptung, die Eskimos hätten unzählige Wörter für Schnee.

Letzteres soll hier zum Abschluss nicht verschwiegen werden. "Ich habe keine Geduld mit den Nachbetern dieser banalen Behauptung. Die Eskimosprachen sind polysynthetisch, was bedeutet, dass selbst selten gebrauchte Wendungen wie 'Schnee, der auf ein rotes T-Shirt fällt' in einem einzigen Wort zusammengefasst werden. Es ist so ermüdend, das immer wieder erklären zu müssen." (DER STANDARD, Print, 26.6.2006)