Krankenkassenchef Alois Stöger

Der Ärztliche Leiter Wolfgang Brandtner

Bert Ehgartner hat zur Welt der Krankenhäuser Wolfgang Brandtner, Ärztlicher Direktor eines Krankenhauses und zur Welt der niedergelassenen Ärzte Alois Stöger, Obmann der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, befragt. STANDARD: Welche Vorteile versprachen Sie sich, als Sie das Krankenhaus Ried mit dem Zubau eines privat genutzten Diagnose- und Ärztezentrums ausstatteten?

Brandtner: Das Diagnosezentrum wurde 2002 völlig ohne öffentliche Mittel errichtet und ist ein Dienstleistungszentrum der niedergelassenen Medizin wie auch des stationären Bereichs, das von Dienstleistern wie Fachärzten, bildgebender Diagnostik, Logopädie-Akademie oder Sanitätshaus gemischt genutzt wird.

STANDARD: Gibt's da vonseiten der Krankenkassen Argwohn? Immerhin wäre es dadurch möglich, dass das Krankenhaus die Dienstleistungen der niedergelassenen Ärzte forciert. Diese belasten das Budget der Krankenkasse, während die Leistungen des Krankenhauses pauschal abgegolten werden - und somit den Kassen im Vergleich dazu praktisch gratis kämen.

Stöger: Aus unserer Sicht gibt's beim Rieder Modell keine Probleme. Wir haben keine Berührungsprobleme, haben auch Kassenverträge mit dem Institut gemacht. Wo wir aber sehr genau darauf achten, ist, dass es zu keiner Verschiebung der Finanzierung zwischen den Bereichen kommt. Das ist in Ried sauber geklärt.

STANDARD: Was ist hier genau die Befürchtung der Kassen?

Stöger: Die Finanzierung der Krankenhäuser erfolgt leistungsorientiert über den Landesfonds. Wir zahlen als Gebietskrankenkasse (GKK) einen Pauschalbetrag in diesen Fonds ein, sind übrigens der größte Zahler in diesem Bereich. Für uns gibt es hier aber leider keine konkrete Leistungsverrechnung. Leistung, die nicht im Krankenhaus erbracht wird und in den vorgelagerten ärztlichen Bereich verlagert wird, müssten wir dann doppelt zahlen. Das ist das Kriterium.

STANDARD:Denken Sie in Ried an eine Ausweitung des Systems?

Brandtner: Unser Haus ist eines von sechs Krankenhäusern der Vinzenz-Gruppe. Wir wollen vermehrt Kooperationen eingehen, die volkswirtschaftlich Sinn machen. Gerade in einer dezentralen Region wie dem Innviertel ist es nicht so leicht wie in Ballungsräumen, eine hochqualitative Versorgung anzubieten.

STANDARD:Wenn ich nun wegen Bandscheiben-Problemen einen Orthopäden aufsuchen möchte - gehe ich dann ins Krankenhaus oder zum Facharzt ins Diagnosezentrum?

Brandtner: Die freie Wahl des Arztes ist dem Patienten in keiner Weise genommen, das kann jeder für sich entscheiden. Der niedergelassene Arzt im Diagnosezentrum hat aber keinen Kassenvertrag. Wer einen Kassenarzt möchte, muss oft lange suchen. Denn das ist in unserer Region ziemlich schwierig, weil wir eine etwas dünne fachärztliche Infrastruktur haben. Dadurch kommt dem Krankenhaus vermehrt eine Ersatz-Dienstleisterfunktion zu.

Dem Patienten nützt das auf jeden Fall. Eine Kooperation wie unsere funktioniert ja ohnehin nur dann, wenn es eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten ist. Die Patienten erhalten eine wohnortnahe Versorgung auf höchstem Niveau, eine 24-Stunden-Versorgung und kurze Wege in der Behandlungskette aufgrund der Konzentration auf einen Standort und die zentrale Verfügbarkeit aller Röntgenbilder und Aufnahmedaten. Damit werden Doppeluntersuchungen vermieden.

STANDARD:Das klingt ja alles ungemein positiv. Wo besteht denn in diesem Modell die Gefahr, dass das Gesundheitssystem doppelt zur Kasse gebeten würde?

Stöger: Beiden Teilen muss klar sein, dass es zu keiner Doppelverrechnung kommen darf. Das passiert in Ried aufgrund der Vereinbarung nicht. Wenn man das vertraglich ausschließt, ist alles okay. Und natürlich macht es Sinn, teure Geräte gemeinsam zu nutzen.

STANDARD:Aber von irgendwo muss ja Ihr Misstrauen herkommen. Wurde anderswo versucht, hier doppelgleisig zu verrechnen.

Stöger: Klar haben wir Bedenken, wenn Leute aus dem Krankenhaus für eine bestimmte Leistung an ein privates Institut verwiesen werden. Das ist schon vorgekommen.

STANDARD:Geht da ein Impuls von Ärzten aus, die im Spital arbeiten und Patienten in ihre Privatpraxis abziehen?

Stöger: Das würde ich als Krankenhaus-Träger ganz eindeutig als Missbrauch betrachten und den Arzt mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen konfrontieren. Natürlich ist das aber vonseiten der Träger auch eine gewisse Politik, was jemand erlauben möchte und was nicht.

STANDARD:Gleichzeitig würden die Kosten auf die Krankenkasse abgewälzt, wenn Krankenhaus-Leistungen auf die niedergelassenen verschoben werden.

Stöger: Wenn dafür unser Anteil in der Krankenanstalten-Finanzierung reduziert würde, hätten wir auch da gar nicht prinzipiell etwas dagegen. Das Problem besteht dort, wo wir die Zahlungen bei den Krankenhäusern aufrechterhalten müssen, weil z. B. an Wochenenden die Versorgung sonst nicht gesichert wäre und wir damit eine doppelte Struktur zahlen müssen. Wenn die gleiche Qualität erhalten bleibt, stehen wir einer andersartigen Organisation aber prinzipiell neutral bis offen gegenüber. Insgesamt haben wir bei den bisherigen Ansätzen aber gesehen, dass es wohl nicht ganz ohne Krankenhäuser geht.

STANDARD:In Wels eröffnen ebenfalls Ärzte im vorgelagerten Bereich des Krankenhauses ihre privaten Ordinationen.

Stöger: Das sind Wahlärzte. Wir haben da keine Verträge. Die Ärzte, die bei uns einen Vertrag haben, sind die Qualifizierteren, weil sie von vornherein bestimmte Kriterien erfüllen müssen. Was die Wahlärzte tun, kommentiere ich nicht.

STANDARD:Ist es aus der Sicht eines ärztlichen Direktors eine Art Lockangebot, Fachärzte leichter für das Krankenhaus zu gewinnen, wenn Sie ihnen auch gleich eine eigene Praxis vermitteln können?

Brandtner: Das Zuleisten niedergelassener Fachärzte bei den Nachtdiensten im Spital ermöglicht es uns überhaupt erst, dass wir über 24 Stunden Dienstbereitschaft anbieten können. Sonst müsste man manche Fächer schließen. Viele abgelegenere Regionen leiden stark unter einem Expertenmangel. Medizinisches Fachpersonal insgesamt, da spreche ich nicht nur von den Ärzten, ist hier nicht einfach zu kriegen.

Da müssen Sie auch gewisse Zuckerln bieten, etwa dass ein Arzt, der im Spital tätig ist, auch draußen tätig sein kann, aber natürlich mit ganz klar abgegrenzten Bereichen. Man muss sich befreien von der auch uns vertrauten Denkweise, dass es hier einen niedergelassenen Bereich gibt, der einen primären Versorgungsauftrag hat und dort eine Spitalmedizin. Das sind keine verfeindeten Welten, davon muss man sich lösen.

STANDARD:Was können Sie denn den Patienten konkret bieten, was sie ohne Ihr Modell erst in Linz, Wels oder Salzburg finden würden?

Brandtner: Im Krankenanstaltenplan war für den Standort Innviertel keine Kernspintomografie vorgesehen, keine MR-Diagnostik. Durch dieses private Modell haben wir die diagnostische Versorgung der ganzen Region verbessert.

STANDARD:Ist es denn in manchen Regionen schon schwierig, überhaupt einen Facharzt zu finden, dem man einen Kassenvertrag geben kann?

Stöger: Der Druck geht bisher eher noch in die Gegenrichtung. Wir haben viel mehr Ärzte, die einen Vertrag wollen. Allerdings versuchen wir schon, in den Ballungsräumen Facharztstellen abzubauen und sie in die Peripherie zu verlagern.

STANDARD:Das heißt also konkret, dass Sie etwa einem Linzer Lungenfacharzt sagen, er bekommt schon einen Kassenvertrag, allerdings nur, wenn er nach Attnang-Puchheim übersiedelt . . .

Stöger: Wir schreiben die Kassenverträge auf gewisse Orte aus. Da kann man sich bewerben. Und bis auf ein Problem mit der Stelle eines Augenarztes in Grein haben wir bislang noch immer mehr Bewerber als Stellen gehabt.

STANDARD:In Oberösterreich gibt es mit beinahe 50 Prozent den höchsten Anteil von privaten Ordensspitälern. Eine vergangene Woche präsentierte IHS-Studie zeigte, dass hier international eine gewisse Ungleichbehandlung vorliegt, indem die Abgänge nicht so wie bei den öffentlichen Spitälern gedeckt werden.

Stöger: Die Orden wollen Krankenhäuser betreiben, und sie wollen auch, dass ein Betriebsabgang gesichert finanziert wird. Den Job hätte ich auch gern, und darüber würde sich wohl jeder Unternehmer freuen. Die Position der Ordensspitäler ist aus ihrer Sicht verständlich. Ich verstehe aber durchaus auch die öffentliche Hand, wenn sie fordert, dass etwa fünf Prozent selbst finanziert werden müssen.

Brandtner: In Österreich zahlen die Ordensspitäler echtes privates Geld zu. Bei Investitionen sind das rund zehn Prozent. Und das wird immer schwieriger. Die Ordensfrauen haben beispielsweise immer ihre Gehälter eingebracht. Und deshalb sollte man schon überlegen, ob Krankenhäuser, die einen öffentlichen Versorgungsauftrag übernehmen, im jeweiligen Finanzierungssystem gleich behandelt werden müssen.

Das Diagnosezentrum St. Vinzenz in Ried im Innkreis ist ein privat finanziertes Haus mit Magnetresonanz- und Computertomografie, zwei Untersuchungen, die es vorher in der Region nicht gab. Die Geräte wurden privat finanziert, sind aber heute vom örtlichen Spital, das sich im selben Gebäude befindet, und den dort untergebrachten niedergelassenen Fachärzten gleichermaßen nutzbar. Die Idee, Dienstleistungen auszulagern und damit das Gesundheitssystem durch gemeinsame Nutzung der Ressourcen umzustrukturieren und auf lange Sicht zu entlasten, ist neu und vor allem für die ländlichen Regionen ein Weg, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu verbessern.