Bis in die frühen Morgenstunden war die Donauinsel Schauplatz und Tanzbühne des 23. Trubels in Folge.

Foto: Standard/Regine Hendrich

Seine Zukunft wird er angesichts der Parteiversprechungen wohl nicht verschlafen, das Fest aber liegt hinter ihm.

Foto: Standard/Regine Hendrich
Sie alle wollten Teil einer Massenbewegung sein und begaben sich, mit der Absicht, sich prächtig zu amüsieren, auf die Donauinsel zum Fest. Das Wetter ließ die Jungen und die Alten genauso wenig im Stich, wie die Künstler und die Standlbetreiber.

***

Wien - Das Donauinselfest ist eine Bewegung. Politisch - angesichts des Veranstalters SPÖ und der vielen Gewerkschaften - mehr oder weniger.

Vielmehr ging es um die Bewegung der Masse, die sich zäh über die Donauinsel wälzte, von rechts nach links und wieder zurück, um vor den Bühnen zu schunkeln oder zu zucken. Dem Donauinselfest kann man nicht zuschreiben, die Spannung wäre ins Unermessliche gestiegen. Aber ein bloßer Spaziergang - "Wo gemma eigentlich hin? Tu'ma einfach so, als würd'ma wo dazugehör'n"- ist es auch wieder nicht; ein Schweißbad in der Menge bei Traumwetter allemal und für diejenigen, die es zuließen, Unterhaltung.

Und, bei Gott, es gab viel zu sehen an diesen drei Tagen. "Menschlich" betrachtet ist es so, als würde ein Schöpfer in die Suppe Österreich getaucht und die Gustostückerln daraus in all ihrer Vielfalt auf die Donauinsel geleert. Von jeder im Land lebender Spezies eine Hand voll: mit Bierbauch, mit Kopftuch, Bratwurst essend, Thai-Nudeln essend, schokoladenbraun oder käseweiß.

Verwunderte Blicke folgten denjenigen, die kiloweise Persil-Waschpulver durch die Gegend schleppten, bis man schließlich an der Quelle angekommen selbst, beim Stand der Chemikergewerkschaft, mit einem Los um einen Euro die begehrten Päckchen abstauben konnte.

Einen Euro kostete auch der Tequila, der an manchen Ständen zu laut dröhnenden Hip-Hop-Beats gerappt angepriesen wurde. Die Texte waren nicht berauschend - "Drink Tequila, yeah, heah, yeah!"doch die bessere Musik holte man sich ohnehin bei den Bühnen. Und zwischendrin tauchte immer wieder ein Fetzen Plakat im möglicherweise getrübten Blickfeld auf: "Gerechtere Löhne! Sichere Arbeitsplätze!"oder "Orgasmus statt Rassismus!" Während die einen einen Mordstrubel um ihre Stände veranstalteten, saßen die anderen gemütlich zu einem Plausch zusammen und zogen wie selbstverständlich Interessenten ins Gespräch.

Blaue Lichter

Ruhig sei das Fest gewesen und ohne nennenswerte Zwischenfälle, vermelden Veranstalter und Einsatzkräfte wie Polizei und Rettung. Doch der g'standene Festbesucher ließ sich nicht täuschen. Je später es wurde, desto öfter machten blaue Lichter den Bühnenscheinwerfern Konkurrenz. Gnadenlos preschten die Einsatzwagen durch die Menge, immer wieder stolperte man über Übermüdete oder Alkleichen. "Nadine, geradeaus, geradeaus!", lotste ein Mädchen ihre noch torkelnde Freundin aus der Menge zu einem sicheren Grünstreifen.

Sogar eine Messerstecherei ("Was schaust'n so deppat?!") hätte es fast gegeben, hätte das Mädchen ("Jetz'gib her!") dem Burschen ("Du Tschusch!") das Messer nicht entrissen und wäre er in seiner Rage nicht elegant, einen vollen Mistkontainer mitreißend, gestürzt.

Beim Donauinselfest ist auch vieles größer und alles besser, als im wirklichen Leben. Wie sonst soll man sich die zauberhafte Wandlung der Curry-Hühnchen zu den angepriesenen "Curry Hühnern" erklären? Oder, dass die Bawag-Bühne zur GÖD-Bawag-Bühne wird. Dass da ein bisschen mit Tricks gearbeitet wird, schwant einem, wenn von besagter Bühne Rauch aufsteigt und sich die Herren darauf bemühen, das flüchtende Publikum zu fesseln.

Später dann, sehr viel später, wenn die Kleinen schon über die S-Bahn-Brücke zur U6 gehen und ihnen angesichts der Müllberge ein "bist du narrisch, da schaut's ja aus!"auskommt, drängen die Größeren noch immer aus den Zügen, zum Tempogeben angepeitscht von Sicherheitskräften.

"Ja, ich pass'schon auf,"sagt eine Frau in ihr Handy und um die neugierige Frage zu beantworten: Der neunjährige Sohn habe angerufen: "Bist du schon niedergetrampelt worden, Mama?", habe er wissen wollen. (Marijana Miljkovic, DER STANDARD - Printausgabe, 26. Juni 2006)