Berlin - Wenn Präsident Viktor Juschtschenko in Kiew ein Länderspiel besucht, sitzt er meist hinter dem Tor. Die Haupttribüne füllen die Oligarchen und Industriellen. Die Neureichen des Landes haben den Fußball seit dem Zerfall der Sowjetunion fest im Griff. Männer wie Stahlbaron Rinat Achmetow, reichster Mann der Ukraine und Gönner von Schachtjor Donezk.

Achmetow ließ in den vergangenen zehn Jahren 250 Millionen Euro in den Meisterklub fließen - zuletzt betrug das Vereins-Budget gar 84 Millionen Euro. Der Industrielle Grigori Surkis und dessen Bruder Igor stecken ihr Geld in den Rivalen Dynamo Kiew, dem ehemaligen Verein von Stürmerstar Andrej Schewtschenko.

Mit ihrem Geld dominieren die Finanz-Magnaten aber nicht nur den Kurs im Fußball, sie bestimmen seit der Gründung des selbstständigen Staates auch die politische Richtung der 15 Jahre jungen Demokratie mit. Surkis, ein kleiner, knurriger Mann mit krächzender Stimme, war zu Sowjetzeiten Chef des Wohnungsbaukombinats von Kiew.

Als Präsident des Industrie- und Finanzkonzerns "Slawutitsch" nimmt er heute auch als Haupteigner von Fernsehkanälen Einfluss auf die ukrainische Medienwelt. Zwischen 1993 und 1998 führte er als Präsident seinen Lieblingsverein. Als er Präsident des ukrainischen Fußball-Verbandes wurde, überließ er Dynamo seinem Bruder Igor.

Grigori Surkis und Cheftrainer Oleg Blochin scheinen heute ein Herz und eine Seele. Gemeinsam sitzen sie für die sozialdemokratische SDP im Parlament, verhehlen nicht ihre Sympathien für die "Blauen" von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch sowie ihre Ablehnung der von Viktor Juschtschenko betriebenen "orangenen Revolution". Ein Wunder ist dies nicht: Als eine der ersten Amtshandlungen strich der neue Staatschef wichtige Steuervorteile für die Oligarchen und strich Subventionen für Kohle- und Energie-Konzerne.

Vor neun Jahren war dies noch anders: Nach seinem Engagement bei Vorwärts Steyr hatte Blochin von Surkis Stadionverbot bei Kiew erhalten. "Hier kommt er nur über meine Leiche rein", soll Surkis damals gesagt haben. Erst nachdem Blochin in seiner ersten Legislatur-Periode ab 1998 vier verschiedenen Blöcken des Parlaments angehörte, darunter auch dem der alten und voraussichtlich neuen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, landete er schließlich und endlich im politischen Lager von Surkis.

Umso überraschender kamen dann die Glückwünsche von Juschtschenko nach dem dürftigen 1:0 über Tunesien, das den Einzug in das Achtelfinale sicherte. Der Staatspräsident dankte seinen politischen Rivalen "im Namen von Millionen ukrainischer Fans" und gratulierte "den Spielern für ihre historische Leistung". Bei den Feierlichkeiten nach der geschafften WM-Qualifikation auf dem Kiewer Maidan-Platz hatte Juschtschenko noch die Teilnahme verweigert.

Wie eng die Verquickungen zwischen Verband und Nationalteam mit Surkis' Imperium sind, mussten auch die nach Neuigkeiten aus dem ukrainischen Lager lechzenden Journalisten erfahren. Von Pressechef Igor Miroschnitschenko gab es oft nur Belangloses zu erfahren, am Abend aber interviewte der Mann mit dem Pferdeschwanz als Moderator direkt aus dem Seminaris-Hotel in Potsdam live für Surskis Fernsehstadion ICTV alle wichtigen Spieler und Trainer des Teams für die TV-Show "Dritte Halbzeit" exklusiv. (APA/dpa)