Mit 2,80 Euro für's Krügel ist Spillerner Lager nicht nur gut, sondern günstig.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wer lieber aus kleinen Gläsern trinkt, zahlt dennoch denselben Literpreis. Und auch das Essen ist durchaus zu empfehlen.

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Sowie der schattige Gastgarten.

Foto: Gerhard Wasserbauer
Ursprünglich stammt die Brauerei-Dynastie Harmer (mit den oberösterreichischen Edelbieren Grieskirchner und Kapsreiter) aus Spillern im Weinviertel, wo sich die Wurzeln der Familie bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Der stilvoll verwitterte Gutshof bestimmt bis heute das Ortsbild der ansonsten zur Eigenheim-Idylle verkommenen Ortschaft. Einst wurde hier in großem Stil Getreide zu Spiritus gebrannt. Heute wird die familieneigene Landwirtschaft nach biologischen Richtlinien geführt, und seit einigen Monaten betreibt mit Michael Harmer ein Spross der Familie auch das alte Dorfwirtshaus.

"Spillerner Lager": würzig und leicht

Die "Spillerner Gastwirtschaft" ist freilich mehr als das herausgeputzte Gasthaus, das man sich in dem Kontext vorstellen mag: Nicht nur, dass hier eine besonders prächtige Schank (komplett bis hin zu Zinn-Budel, Doppel-Wasserbecken und Marmorplatte) in Betrieb steht, dass der geschotterte Gastgarten mit Linden, Birken und viel Wiese lauschig einladend ist, dass die Küche Wirtshaus-Klassiker pflegt und ab September einer der besten Köche des Landes am Herd stehen wird - hier (und nur hier) wird seit einigen Wochen auch das wohl spannendste Bier des Landes gezapft und natürlich auch gebraut. Das "Spillerner Lager" ist besonders würzig, wunderbar feinperlig, hopfenfrisch und mit gerade vier Prozent so leicht im Alkohol, wie man es in dieser Stilistik nur von ganz wenigen, noch "unrenovierten" tschechischen Bieren kennt - mit einem Wort, das ganz große Schüttvergnügen.

Eigene Malzfabrikation

Einzigartig in Österreich ist die brauereieigene Malzfabrikation. Die komplett erhaltene Tennenmälzerei aus dem Jahr 1901 war einst ein Teil der Brennerei und seit Jahrzehnten ungenutzt, aber in erstaunlich gutem Zustand erhalten. "Dass hier so eine Anlage im Hinterhof herumstand, habe ich schon als Auftrag verstanden", erklärt Harmer die Genese des Projekts, "wir mussten sie nur entstauben und lernen, wie sie funktioniert." Die altertümliche Fabrikation entlockt der Gerste subtile Röstnoten und verleiht dem Sud einen besonders runden, vollmundigen Charakter, wie man sie, außer bei kleinen tschechischen Produzenten (z.B. Bernard) nirgends mehr finden wird.

Durch den exklusiven Ausschank im eigenen Wirtshaus sind beim Spillerner Bier keinerlei Kompromisse in Richtung Haltbarkeit nötig, die Rezeptur ist auf maximalen Geschmack und Trinkgenuss abgestimmt - und natürlich unpasteurisiert.

Mehrgängige Menüs zu kulanten Preisen

In der Küche wird ab September Meinrad Neunkirchner stehen, der Koch mit dem geradezu magischen Händchen für Saucen, Suppen und Marinaden, der sein immenses Talent zuletzt im Gürtellokal "Babu" unterm Stadtbahnbogen geparkt hatte. Im Gemüsegarten des Gutes sprießen schon die Stauden mit seltenen Kräutern, alten Paradeisersorten und anderen feinen Dingen, die Neunkirchner ab Herbst zu subtilen Gerichten verarbeiten wird. Abends wird dann richtig groß aufgekocht, mit mehrgängigen Menüs zu kulanten Preisen, die die halbstündige Fahrt aus dem Wiener Stadtzentrum zum doppelten Vergnügen machen sollen. Einstweilen denkt Neunkirchner bei der Speisekarte mit, deshalb gibt es neben perfekt soufflierten Schnitzeln, riesigen Zwiebelrostbraten und köstlich gebackener Kalbsleber auch die eine oder andere Feinheit zu entdecken: raffiniert dressierten Eierschwammerlsalat mit Prosciutto etwa oder eine berückend gute, ofenwarme Rhabarbertarte. Wichtige Info für aktive Biergenießer: Mit dem Rad entlang der Donau ist man in einer Stunde am Ort des Glücks!
(Severin Corti/Der Standard/rondo/23/06/2006)