Der Bagger schwebt in die Höhe und wird auf dem Dach des Brauereiturms von Liesing abgesetzt. In den nächsten Wochen wird er sich um 50 Meter runter knabbern.

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Wien – Der Baggerfahrer besteigt sein Gerät, startet den Motor – und schwebt zwei Minuten später in über 80 Metern Höhe. Dort oben in luftiger Höhe ist die nächsten Wochen sein Arbeitsplatz. Immer wieder wird ihn der Kran auf das Dach oder eine Zwischendecke des großen Brauereiturms von Liesing setzen, wo der Bagger nach und nach, Stockwerk um Stockwerk herunter knabbern wird.

Eine Aufgabe für ein Spezialunternehmen aus Bayern – schließlich geht es um ein Industriebauwerk, das aus massivstem Stahlbeton errichtet worden war – mit einer Betonqualität nahe eines Flakturms. "Sprengen wäre nicht möglich gewesen, wegen der Anrainer und des Aquädukts der Hochquellleitung in unmittelbarer Nähe", erläutert der Liesinger Bezirksvorsteher Manfred Wurm.

Bis auf 30 Meter wird der Turm von oben herab zerstückelt – dann wird dem_Rest mit herkömmlichem Baugerät zu Leibe gerückt, erläutert Franz Werner Hauberl, Generaldirektor des Bauträgers Arwag.

In vier Monaten sollen die Abbrucharbeiten der längst aufgelassenen Brauerei abgeschlossen sein – 2007 soll dann mit dem Neubau von rund 550 geförderten und freifinanzierten Wohnungen begonnen werden. Dazu kommen ein regionales Einkaufszentrum "und möglichst auch eine kulturelle Einrichtung", ist Wurms Wunsch. In Summe werden rund 160 Millionen Euro investiert.

Die Coop-Schlange

Dies alles in einer markanten Erscheinungsform, die vom Architektenteam Coop Himmelb(l)au entworfen wurde. Das neue Zentrum: Ein geschlungener Bau, der das Thema des benachbarten Liesingbaches aufgreift. Gewiss, der Brauereiturm war keine Zierde, "aber er war doch das Wahrzeichen von Liesing", wägt der Bezirksvorsteher ab. "Wenn man mit dem Flugzeug ankam und hat den Turm von oben gesehen, wusste man: Wir sind in Liesing."

Diese heimatliche Erkennungsfunktion wird künftig beim Einfliegen die Coop-Schlange übernehmen. "Auch werden die Gebäude zum Platz hin höher sein, um den Liesingern wieder ein wenig von der vertrauten Höhe zu vermitteln", so Hauberl.

Für die umliegenden Anrainer wird das derzeit größte Bauprojekt in Liesing – neben einem zusätzlichen Verkehrsaufkommen – auch ein paar Verbesserungen bringen. So wird etwa der Grüngürtel hinter dem Brauereigelände geöffnet und zugänglich gemacht. Es wird eine neue Durchgangsmöglichkeit von der Rudolf Waisenhorngasse zum Liesinger Platz geschaffen, der ebenfalls neu gestaltet wird.

Und es werden auch ein paar historische Besonderheiten neu erlebbar gemacht. Wie etwa die alten Eiskeller der Brauerei, die den Untergrund des Wäldchens am Hügel in einem verzweigten System durchziehen. Hier hinein waren die Bierfässer nach der zweiten Gärstufe zum Abkühlen gerollt worden.

Die meisten dieser Eiskeller müssen ob ihrer Baufälligkeit ausgefüllt und/oder zugemauert werden. Doch die vordersten Abschnitte sollen durchaus saniert und neu genutzt werden – "wir werden sie wohl dem Thema Bier widmen", kündigt Hauberl an. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD - Printausgabe, 22. Juni 2006)