Zur Person

Andreas Golatz (31) wird am 29. Juni 2006 von Diözesanbischof Ludwig Schwarz zu einem von zwei neuen Priestern der Diözese Linz geweiht.

Foto:privat
Die Kirche stecke im Reformstau, Lösungen seien nicht in Sicht. Österreichische Bischöfe würden die Basis im Stich lassen, sagt der Linzer Neo-Priester Andreas Golatz zu Markus Rohrhofer.

STANDARD: Der Zulauf zum Priesteramt wird 2006 mit nur 25 Priestern ein Rekrordtief erreichen. Wie fühlt man sich als Teil einer solchen Minderheit?

Golatz: Dass die Zahlen nicht rosig sind, habe ich bereits beim Eintritt ins Priesterseminar gewusst. Die Situation ist einerseits eine Herausforderung, andererseits stellt sich natürlich die Frage, wie es weitergeht.

STANDARD: Warum ist Ihr Job so wenig attraktiv?

Golatz: Das Bild vom Priester innerhalb der Gesellschaft ist nicht das Beste. Dazu kommt noch Hausgemachtes: Aktuelles Beispiel ist die Diskussion über Dan Browns Buch "Sakrileg". Da hat die Kirche selbst massiv provoziert und gepusht. Mir hat das Buch ein Bischof empfohlen und ich hab es mit Freude gelesen.

STANDARD: Eine neue Verschwörungstheorie. Ist Dan Brown also Ihrer Meinung nach Schuld am eklatanten Priestermangel in Österreich ...

Golatz (lacht): Nein, aber die Gesellschaft hat ein völlig veraltertes Ideal-Bild vom Priester. Wir sind heute nicht mehr die, die 24 Stunden und sieben Tage die Woche für ihre Schäfchen da sind.

STANDARD: Müsste die Kirche sich nicht deutlich offensiver dem Nachwuchsproblem stellen?

Golatz: Das wünschen sich wohl alle an der Basis. Zumindest sollte das Gefühl vermittelt werden, dass man die Probleme auf bischöflicher Ebene erkennt und ernst nimmt. Doch davon sind wir weit entfernt. Derzeit heißt es immer "es wird sich schon wieder ändern" - echte Lösungen fehlen.

STANDARD: Steckt die katholische Kirche in der Krise?

Golatz: Es braucht dringend Reformen. Die Kirche muss sich endlich mehr öffnen. Viel zu sehr agiert man nach dem Grundsatz "Wir gegen die Welt". Und mit dieser Linie tut man sich heute natürlich enorm schwer.

STANDARD: Ist da eine Lösung in absehbarer Zeit in Sicht?

Golatz: Derzeit noch nicht. Der Refomstau wird aber immer größer und die Kirche schlittert immer tiefer in die Krise. Ich hoffe ganz stark auf die einzelnen Diözesen. Auf dieser Ebene muss der Widerstand gegen Rom so massiv werden, bis endlich etwas passiert. Wir brauchen einen regelrechten Aufstand auf diözesaner Ebene.

STANDARD: Wie realistisch ist dieser Reformprozess unter Papst Benedikt XVI.?

Golatz: Ich glaube, dass er zumindest die Wege hin zu Reformen ebnen wird. Um nachhaltig etwas zu verändern braucht es meiner Meinung ein Drittes vatikanisches Konzil.

STANDARD: Die Rufe nach einem Viri-Probati-Modell werden immer lauter, dennoch überhört sie die offizielle Kirche. Sind "bewährte, verheiratete"Männer schlechtere Priester?

Golatz: Auf keinen Fall. Sowohl der Pflichzölibat als auch die Priesterweihe für Frauen müssen endlich offen andiskutiert werden.

STANDARD: Also ein klares Nein zum Zölibat und ein deutliches Ja zum Frauen-Priestertum, oder?

Golatz: Ein Ja zu einem zweiten Weg neben dem Pflichtzölibat. Und natürlich die Öffnung des Priesteramts für Frauen.

STANDARD: Haben Sie auf ihrem zölibatären Weg nie gehadert?

Golatz: Doch. Es wäre gelogen zu sagen, dass immer alles ganz leicht war. Aber ich bin generell ein sehr freiheitsliebender Mensch und hätte wahrscheinlich in meiner Ehe so meine Probleme.

STANDARD: Was hat Sie dazu bewogen, Priester zu werden?

Golatz: Ich arbeite gerne mit Menschen, interessiere mich für Religion und helfe gerne Anderen. Außerdem ist es einfach wunderschön, mit einer Pfarre in einer großen Gemeinschaft zu leben. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.6.2006)