Prag - Ein verstärkter Einsatz von Fruchtbarkeitsbehandlungen könnte nach Ansicht von WissenschafterInnen dazu beitragen, der Überalterung der Bevölkerung in Europa entgegenzuwirken. Regierungen sollten den Einsatz von Fortpflanzungstechnologien zur Steigerung der Geburtenraten in Erwägung ziehen, sagte der Vorsitzende des unabhängigen Forschungsinstituts RAND Europa, Jonathan Grant, am Montag bei der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Embryologie in Prag. RAND untersucht, mit welchen Mitteln die Länder das Bevölkerungswachstum fördern können. Die Kosten der Finanzierung von künstlichen Befruchtungen würden zudem bei weitem von der ökonomischen Leistung des geborenen Kindes aufgewogen, wies eine weitere Studie des Teams um Bill Ledger von der University of Sheffield nach.

Im Schnitt haben europäische Frauen inzwischen weniger als zwei Kinder. Dabei reicht die Spanne der Geburtenraten von 1,9 Kindern in Frankreich und Irland bis zu 1,3 in Spanien und Italien. In Deutschland liegt die Geburtenrate bei etwas über 1,3 Prozent. DemographInnen zufolge müsste statistisch gesehen aber jede Frau 2,1 Kinder bekommen, damit die Bevölkerungszahl konstant bleibt.

Geringere Geburtenzahlen bedeuten bei einer höheren Lebenserwartung, dass es mehr ältere Menschen geben wird als jüngere und damit die auf die Gesellschaft entfallenden Kosten steigen.

Untersuchung in Großbritannien

Viele Regierungen sorgen sich deshalb um die finanziellen Folgen einer immer stärker alternden Bevölkerung. Eine längere Lebenserwartung und eine verbesserte medizinische Versorgung tragen zu diesem Trend bei. Bis zum Jahr 2050 dürfte sich die Zahl der EuropäerInnen über 65 Jahren auf 30 Prozent rund verdoppelt haben. RAND-Forscher Grant hat im Auftrag einer in der Schweiz ansässigen Pharma-Firma die Auswirkungen einer verstärkten Förderung von Fruchtbarkeitsbehandlungen in Großbritannien untersucht. Danach komme er zu dem Schluss, dass solche Behandlungen einen kleinen, aber nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die allgemeine Geburtenrate haben könnten.

Vorteile für die Wirtschaft

Die WissenschaftlerInnen der Uni Sheffield wiederum berechneten, dass eine künstliche Befruchtung rund 13.000 Pfund kostet, jedes Kind jedoch 147.000 Pfund an Steuern und Versicherungen in die Wirtschaft Großbritanniens einbringt. Sie argumentieren laut BBC, dass diese Zahlen dem Ansinnen Gewicht verleihen, dass das NHS drei Versuche einer künstlichen Befruchtung bezahlen sollte. Die Folge wären 10.000 mehr IVF-Kinder in den nächsten zwei oder drei Jahren. Derzeit wird vielen Paaren nicht einmal ein Versuch zugestanden. Der frühere Gesundheitsminister John Reid hatte dieses Angebot bereits 2004 eingefordert. Seiner Meinung nach sollten jene Institutionen, die die medizinische Grundversorgung sicherstellen und die künstlichen Befruchtungen finanzieren auf lange Sicht drei Versuche bezahlen.

Mitglieder des unabhängigen Think-Tanks Rand Europe argumentieren, dass unter anderem die künstliche Befruchtung und nicht, wie vielfach argumentiert, die Migration zur Erhöhung der Bevölkerungszahlen beitragen sollte. (APA/Reuters/pte)