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Foto: APA/Müller
Wien - Der Physiker Jörg Schmiedmayer ist Träger des Wittgensteinpreises 2006. Das gaben Bildungsministerin Elisabeth Gehrer und der Chef des Wissenschaftsfonds FWF, Christoph Kratky, am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien bekannt. Der jährlich vergebene, mit 1,5 Mio. Euro dotierte höchste Wissenschaftspreis des Landes gilt als "Austro-Nobelpreis". Gleichzeitig wurden die mit je 1,2 Millionen Euro dotierten START-Preise an fünf Nachwuchs-Wissenschafter vergeben, die Verleihung erfolgt am 21. September.

Erfolgreich angelockter Heimkehrer

Der 45-jährige Schmiedmayer übersiedelt derzeit gerade von der Universität Heidelberg, wo er seit dem Jahr 2000 tätig war, an die Technische Universität (TU) Wien. Zur Rückkehr in seine Heimat wurde der Physiker mit viel Geld und einem völlig neuen Labor gelockt, das derzeit am Atominstitut der österreichischen Universitäten in Wien eingerichtet wird. Die Stadt Wien und das Unternehmen Siemens stellen für die Arbeit des Quantenphysikers jeweils eine Mio. Euro zur Verfügung, die TU wendet inklusive Uni-Infrastrukturmittel mehr als zwei Mio. Euro für den Umbau und Adaptierung des neuen Labors auf. Schmiedmayer hofft, dass das Labor im Herbst seinen Betrieb aufnehmen und er dann nach Wien übersiedeln kann.

Bei Schmiedmayers Spezialgebiet "Atomchips" handelt es sich im Prinzip um Atomfallen im Miniaturformat. Auf Mikrochips, die magnetische und elektrische Felder erzeugen, können Atome gefangen, gekühlt und manipuliert werden. "Wir versuchen damit quantenphysikalische Effekte von Atomen und von Licht auf einen Chip zu bringen", sagte Schmiedmayer. Ob es dafür Anwendungen gebe, werde sich erst in 20 Jahren zeigen. "Die ersten Leute, die Halbleiter gebaut haben, betrieben so wie wir derzeit mit Atomchips Grundlagenforschung und hatten keine Ahnung, dass das die dominierende Technologie des 20. und 21. Jahrhunderts wird." Mögliche Anwendungen sind Sensoren für ultrapräzise Messungen, kleinste Atomuhren bzw. Quanteninformationsverarbeitung.

Werdegang

Schmiedmayer, geboren am 13. August 1960 in Wien, studierte Physik und Astronomie an der TU Wien, wo er 1987 promoviert wurde. Sein Studium finanzierte er sich als Skilehrer, eine Leidenschaft, der er auch heute noch abseits präparierter Pisten frönt. Seine Post-Doc-Jahre absolvierte er, unterstützt von einem Schrödinger-Stipendium, an der Harvard University und am Massachusetts Institute for Technology (MIT), ehe er 1993 zu Anton Zeilinger ans Institut für Experimentalphysik der Uni Innsbruck wechselte. 2000 nahm er einen Ruf an die Universität Heidelberg an, wo er eine Atomchip-Arbeitsgruppe aufbaute.

Nun wurde er auf eine seit Jahren vakante Professorenstelle für Experimentalphysik an der Technischen Universität (TU) Wien berufen. Das Ziel des Physikers ist es, in Wien ein Team bestehend aus drei bis vier herausragenden jungen Wissenschaftern aufzubauen, von denen jeder eine eigene Gruppe mit eigenen Labors und Geld leitet. Zwei davon seien schon verpflichtet und auch aus Heidelberg nimmt Schmiedmayer acht bis zehn Mitarbeiter mit. Er selbst übersiedelt erst, sobald sein neues Labor fertig ist und die wissenschaftliche Arbeit nahtlos fortgesetzt werden kann. Denn "Wissenschaft ist wie ein Termingeschäft am Ölmarkt. Wenn man nicht der erste ist, kann man es gleich bleiben lassen."

---> Die START-Preise

Die START-Preise 2006

Während der Wittgenstein-Preis für bereits erbrachte außergewöhnliche Leistungen verliehen wird, soll der START-Preis an junge Spitzenforscher für die Realisierung viel versprechender neuer Projekte verliehen. Heuer erhalten fünf Nachwuchs-Wissenschafter den mit jeweils 1,2 Mio. Euro für sechs Jahre dotierten START-Preis:

Hartmut Häffner vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck wird für seine Arbeit "Kopplung von Ionenfallen-Quantencomputer" gefördert. Häffner, geboren am 10. Oktober 1970 in Mainz, ist seit 2001 in Innsbruck tätig. Er arbeitet daran, durch Koppelung von zwei oder mehreren Ionenfallen mittels supraleitenden Drähten die Anzahl der verfügbaren Qubits (die Träger der Quanteninformation in einem Quantencomputer, ähnlich den Bits in einem herkömmlichen Rechner) zu erhöhen. Bisher ist es den Innsbrucker Physikern gelungen, in einer Falle acht Ionen zu halten und damit acht Qubits zu erreichen.

Norbert Polacek von der Sektion für Genomik und RNomik der Medizinischen Universität Innsbruck, erhält den START-Preis für sein Projekt "Nukleotid-Analog Interferenz im Ribosom". Der am 1. März 1970 in Wien geborene Biogenetiker ist seit 2003 in Innsbruck tätig. Das Ribosom ist ein für die Proteinherstellung in allen lebenden Zellen essenzielles Enzym. Seine Struktur konnte bereits geklärt werden, doch sind seine katalytischen Mechanismen auf molekularer Ebene noch weitgehend unbekannt. Polacek arbeitet daran, das katalytische Zentrum des Ribosoms chemisch zu modifizieren, um dadurch molekulare Details der Proteinsynthese aufzuklären. Dafür haben die Wissenschafter eine Methode entwickelt, um chemisch modifizierte RNA-Bausteine in das Ribosom einzubauen.

Piet Oliver Schmidt vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck wird für sein Projekt "Direkte Frequenzkamm-Spektroskopie mit Quantenlogik" ausgezeichnet. Geboren am 4. Oktober 1970 in Schwäbisch-Hall (Deutschland) ist Schmidt seit 2005 in Innsbruck tätig. Er arbeitet auf dem Gebiet der Präzisionsspektroskopie, eine 2005 mit dem Physik-Nobelpreis gewürdigte Methode, mit der der interne Zustand von Atomen und Molekülen untersucht werden kann. Schmidt will diese Methode verbessern, um auch Atome und Moleküle mit komplexer interner Struktur untersuchen zu können, was bisher sehr schwierig war.

Josef Teichmann vom Institut für Wirtschaftsmathematik der Technischen Universität (TU) Wien erhält den START-Preis für sein Projekt "Geometrie stochastischer Differentialgleichungen". Der am 27. August 1972 geborene Lienzer arbeitet seit 2000 an der TU Wien. Stochastische Prozesse sind ein Schlüsselwerkzeug zur Modellierung vieler technischer, wirtschaftlicher oder naturwissenschaftlicher Phänomene. Das Projekt beschäftigt sich mit speziellen Eigenschaften von Lösungen stochastischer Differentialgleichungen, die Resultate sollen vor allem auf finanzmathematische Probleme angewendet werden.

Gerald Teschl von der Fakultät für Mathematik der Universität Wien wird für das Projekt "Spektralanalysis und Anwendungen auf Solitonengleichungen" ausgezeichnet. Geboren am 12. Mai 1970 in Graz studierte er ursprünglich Physik, dissertierte und habilitierte dann in Mathematik und ist seit 1997 an der Uni Wien tätig. Teschl beschäftigt sich mathematisch mit Solitonen, das sind spezielle Wellen, die weder auslaufen, noch brechen, sondern unter bestimmten Bedingungen ihre Größe und Form beibehalten. In Glasfaserkabeln erreicht man beispielsweise mit Hilfe von Solitonen Übertragungsraten von bis zu zehn Tera-Bit pro Sekunde. Die von Teschl untersuchten mathematischen Probleme von speziellen Solitonen sind sowohl in der Quantenmechanik als auch in der nichtlinearen Optik von Interesse.

Das erste Jahrzehnt

Seit Einführung des Programms 1996 wurden 18 Wittgenstein- und 54 START-Preise mit einer Gesamtfördersumme von 81,5 Mio. Euro vergeben. Damit werde wesentlich die Ausbildung junger Wissenschafter unterstützt, betonte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. Mit den Preisgeldern seien insgesamt rund 800 höchstqualifizierte Stellen geschaffen worden, ein Wittgenstein-Preisträger beschäftige durchschnittlich 15 Mitarbeiter, ein START-Preisträger im Schnitt zehn.

FWF-Chef Christoph Kratky bezeichnete das Wittgenstein- und START-Programm als "spannendstes und mit Abstand kompetitivstes Programm", das von FWF verwaltet werde. Dies sei "die Champions League, hier werden wirklich die besten Wissenschafter Österreichs ausgezeichnet". Angesichts der geringen Frauenquote unter den Preisträgern und der Dominanz bestimmter Wissenschaftsgebiete wird aber derzeit über Änderungen im Programmdesign nachgedacht. (APA)