Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

... sei das nicht sein Problem: Er weigere sich, in die Stadt zu fahren.

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Es war gegen Mittag. Irgendwo beim Semmering. Da seufzte K. in sein Handy, dass das sein Ernst sei: Er empfehle die U-Bahn. Oder das Krapfenwaldlbad. Oder Emigration. Oder aber die Teilnahme an einer der Demos. Aber - nein wirklich nicht, auch nicht zum doppelten Preis – seine, K.s, Autos würden ab Dienstagabend stehen. Und er werde sich und seinen Fahrern Auszeit gönnen. Er sei, erklärte K. ins Telefon, nämlich nicht wahnsinnig: Während George Bush in Wien unterwegs sein wird, werde er sich in kein Auto setzen. Nicht im Zentrum Wiens.

Dabei fährt K. nicht nur gerne Auto, er lebt auch davon. Ersteres erzählte er uns am Wochenende während er Letzteres tat: K. war unser Limousinenfahrer. Bereitgestellt und bezahlt von den Veranstaltern einer Modeschau im Ausseer Land. (Ja, der Beruf verlangt mitunter unmenschliche Opfer.) Und wenn K. nicht gerade überfütterte Journalisten kutschiert, fährt er mit seinen Luxuskreuzern andere Menschen durch andere Gegenden. Außer der amerikanische Präsident sucht Wien heim.

Sinnlos

Weil, erklärte uns K. zwischen den am Samstag im Zweistunden-, am Sonntag dann im Viertelstundendtakt eintrudelnden immer verzweifelteren Anrufen, es nämlich sinnlos sei: Ein Mindestmaß an Mobilität müsse man Kunden garantieren können. Ja, auch im Fixpreisgeschäft. Und sehenden Auges in den Verkehrsinfarkt zu steuern, fände er einfach saublöd, unlustig und schlecht für Nerven und Ruf. Geschäft hin oder her.

Der Haken an der Sache sei aber, dass er, K., allem Anschein nach nicht der einzige Mietwagenunternehmer sei, der den Tag des hohen Besuches dazu nutzen wolle, seine kleine Mercedes- und Audiflotte ordentlich servicieren und putzen zu lassen: Längst, sagte K. und wies den Anruf eines Kollegen zum dritten Mal ab, dächten einige in der Branche so wie er – die Dichte der Anrufe ließe jedenfalls kaum einen anderen Schluss zu.

Bush-Streik

Er selbst, sagte K., habe den Entschluss, in den Bush-Streik zu treten getroffen, als er zum ersten Mal das ganze Ausmaß der Straßensperren während des Besuches überblickt und mit seinen üblichen Routen und Zielen verglichen habe. Das sei vor etwas über einer Woche gewesen. Und Anfangs habe er getan, was viele Kollegen nun zu tun begännen: Er habe Gelegenheits-Kunden an Mitbewerber verwiesen. Und selber versucht, für Stammkunden und VIPs Fahrersatz aufzutreiben. Aber das sei dann von Tag zu Tag schwieriger geworden.

Fürs Geschäft, sagte K., sei das natürlich nicht gut: Eine große Firma habe ihm am Freitag für Dienstagnachmittag und Abend das Dreifache des normalen Flughafenshuttlepreises geboten. Er müsse nur Wege um die Sperren finden, hätte der Auftrag gelautet: Wichtige Kunden, wichtige Termine – und so weiter. Aber, zuckte K. die Schultern, er könne halt auch nicht zaubern. Und wenn Wien wegen George Bush lahm gelegt werde, könne er nichts dafür – und werde den Tag auf seinem Balkon oder im Bad begehen.

Mögliche Ausnahme

Es gäbe aber, erklärte K., doch einen Kunden, dessen Auftrag er annehmen würde: Die amerikanische Botschaft. Wenn die anriefe, um ein paar schwarze Limousinen für Dienstag und Mittwoch zu ordern, meinte K., würde er zusagen. Sofort. Zu jedem Preis. Und dann würde er nicht kommen. Einfach nicht auftauchen: Die Vorstellung, George Bush traurig und fruchtlos auf seinen Wagen am Flughafen warten zu lassen, meinte K., wäre sein ganz privater, naiver,kleiner Traum von einer Protestaktion gegen Guantanamo, die der Adressat wirklich spüren würde. Und von der doch relativ geringen Wahrscheinlichkeit, dass die Botschaft ihn, den kleinen Chauffeur, anrufen würde, ließe er sich die Freude an der Idee ganz bestimmt nicht verderben.