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Bei Siemens und Nokia funkt es: Ein neues Unternehmen mit knapp 16 Mrd. Euro Umsatz entsteht

Foto: dpa/Andreas Gebert
Helsinki/Frankfurt/Wien - Nokia und Siemens, bis vor Kurzem sowohl im Handygeschäft als auch beim Netzwerkbau starke Konkurrenten, werden künftig ihr Geschäft mit Telekom-Netzwerken gemeinsam betreiben. Die beiden Unternehmen planen, ihre Netzwerk-Sparten vollständig in das Joint Venture Nokia Siemens Networks einzubringen. Montag bestätigten die beiden Konzerne einen entsprechenden Bericht des Wall Street Journal.

Das neue Netzwerkunternehmen, das bis Ende des Jahres entstehen soll und noch der Zustimmung durch die Kartellbehörden bedarf, würde zum viertgrößten Anbieter in diesem Markt werden. Netzwerke sind die meist unsichtbare Infrastruktur für Mobilfunk sowie das Telefonfestnetz. Der gemeinsame Umsatz der beiden Unternehmenssparten liegt bei 15,8 Mrd. Euro, zusammen beschäftigen Nokia und Siemens hier rund 60.000 Mitarbeiter.

Bei Siemens nur anteilsmäßig bilanziert

Obwohl die Anteile im Verhältnis 50:50 verteilt sind, dürfte Nokia die Führung übernehmen. Neuer Chef soll der bisherige Nokia-Networks-Chef Simon Beresford-Wylie werden, Finanzchef der bisherige Siemens-Österreich-Vorstand Peter Schönhofer. Der Firmensitz wird in Helsinki sein, Nokia wird die Mehrheit im Aufsichtsrat stellen und die Unternehmensergebnisse in seiner Bilanz konsolidiert. Siemens wird hingegen die Gesellschaft in seiner Bilanz nur anteilsmäßig bewerten.

Nokia und Siemens wollen durch die Zusammenlegung in den nächsten Jahren jährlich Kosten von 1,5 Mrd. Euro einsparen. Die Hauptlast dieser Ersparnis werden die Mitarbeiter tragen müssen: Zehn bis fünfzehn Prozent der 60.000 Stellen sollen abgebaut werden. Eine Sprecherin von Siemens erklärte jedoch gegenüber der dpa, dass es nicht zwangsläufig Stellenstreichungen geben werde, sondern dass auch "Verlagerungen"in andere Konzernbereiche denkbar seien.

Ericsson im Visier

Der Deal, der über Monate unter großer Geheimhaltung vorbereitet wurde, erfolgt nur wenige Tage nachdem Olli-Pekka Kallasvuo als Nokia CEO die Nachfolge von Jorma Ollila antrat. Nokia ist derzeit nur bei Mobilfunknetzen tätig, während Siemens mit seiner Com-Sparte nebst Funknetzen auch eine starke Festnetzsparte einbringt. Dies erscheint im Zuge des immer stärkeren Zusammenwachsens von Mobilfunk- und Festnetz ein strategischer Vorteil. Siemens-Chef Klaus Kleinfeld sieht vor allem die nur wenig größere schwedische Ericsson als Hauptkonkurrenten.

Für das Geschäft mit firmeninternen Netzwerken sucht Siemens hingegen weiter eine Lösung; in der Branche wird davon ausgegangen, dass Siemens den Bereich ebenfalls abstoßen wird. Sein Handygeschäft hat Siemens im Vorjahr an BenQ verkauft.

Neue Strategie

Für beide Unternehmen, die seit Kurzem unter neuer Führung stehen, stellt das Jointventure eine Änderung bisheriger Wachstumsstrategien dar. Nokia hat sich bisher an Übernahmen nicht beteiligt; Siemens wiederum nur schwer von wenig rentablen Teilen getrennt. Die Com-Sparte ist einer der größten Bereich im Siemens-Konzern. Sowohl Nokias Kallasvuo als auch Siemens-Chef Kleinfeld scheuen offenbar vor solchen großen Einschnitten nicht zurück.

Die Börsen reagierten teils überschwenglich auf die Ankündigung. Die Siemens-Aktie machte einen Freudensprung von über acht Prozent, Nokia um rund 4,5 Prozent. (Helmut Spudich, DER STANDARD Printausgabe, 20.06.2006)