Bild nicht mehr verfügbar.

Blick in den Haupttrakt von Camp Delta, dem größten Gefangenenlager der US-Armee auf Guantánamo. 800 Häftlinge waren zur Hochzeit im Lager, 480 sind es derzeit.

Foto: AP /Brennan Linsley

Bild nicht mehr verfügbar.

Zur Person

John B. Bellinger ist seit 2001 Rechtsberater von Condoleezza Rice, zunächst im Weißen Haus, seit 2005 im State Department.

Foto: AP /Remy de la Mauviniere
Standard: Ist es Zeit, das Gefangenenlager in Guantánamo zu schließen?

Bellinger: Der Präsident hat kürzlich zu verstehen gegeben, dass er gern in der Lage wäre, Guantánamo zu schließen. Dass er die Bedenken sieht, die das Lager ausgelöst hat, aber dass wir einige Arrangements für die Freilassung dieser Personen ausarbeiten müssen. Das ist nicht so leicht, wie sich das einige Leute vorstellen. Wir wollen Guantánamo nicht länger in Betrieb halten. Wir können aber nicht einfach die Türen zumachen, alle in ein Flugzeug setzen und zurück in ihre Herkunftsländer schicken. Einige dieser Länder wollen die Personen gar nicht aufnehmen. Wir intensivieren jetzt unsere Bemühungen, um sie aus Guantánamo wegzubringen und die Überstellung mit den Ländern auszuhandeln.

Standard: Also Guantánamo schließen -je schneller, desto besser?

Bellinger: Das kann man so sagen. Je schneller, desto besser, vorausgesetzt, wir können Vorkehrungen treffen, die Sicherheitsbedenken berücksichtigen, wir können praktische Probleme lösen und auch Fragen der Menschenrechte, die mit der Rückführung der einzelnen Personen dort verbunden sind. Nehmen wir das Beispiel der Uighuren. Das war eine Gruppe von etwa 25 Personen, die wir freilassen wollten - je schneller, desto besser. Drei Jahre waren nötig, um alle Probleme der Rückführung zu lösen. Wir kontaktierten allein wegen dieser Gruppe hunderte Länder in der ganzen Welt und fanden kein Land außer China, das sie haben wollte. Da hatten wir aber Bedenken wegen der Menschenrechte. Albanien stimmte kürzlich zu, fünf der Uighuren aufzunehmen.

Standard: Vier Jahre Guantánamo, derzeit noch 480 Gefangene, insgesamt nur ein Dutzend Anklagen. Sieht das nicht nach einem Fehlschlag aus?

Bellinger: Guantánamo hat seine Kosten gehabt. Aber wir glauben, es hatte auch seinen Gewinn. Wir haben wertvolle Informationen von den Häftlingen gewonnen, und wir haben gefährliche Leute von der Straße genommen, die für alle eine Bedrohung waren. Klar ist: Präsident Bush und meine Vorgesetzte, Außenministerin Rice, verstehen vollkommen die Bedenken über den Schaden, den das Bild von Guantánamo in Europa und in der arabischen Welt verursacht hat.

Standard: Verzeihen Sie -was heißt, sie "verstehen die Bedenken"? Teilen Präsident Bush und Außenministerin Rice die Ansicht der Europäer über Guantánamo?

Bellinger: Ich glaube, ja. Sie haben anerkannt, dass hier Schaden angerichtet wurde. Wir versuchen, diese Situation zu lösen, aber wir müssen das in Einklang mit unseren Sicherheitsbedenken bringen.

Standard: Eine UN-Kommission kam vergangenen Februar zu dem Schluss, dass die Militärverfahren in Guantánamo in keiner Weise dem Anspruch der Häftlinge auf eine Überprüfung ihres Gefangenenstatus genügen. Hat Sie das gestört?

Bellinger: Dieser Bericht, der als der abschließende Bericht der UNO über Guantánamo betrachtet wurde, störte uns. Er war auf der Basis von Interviews mit früheren Gefangenen und ihren Anwälten geschrieben worden. Die Autoren sprachen nie mit den USA. Sie hörten nie unsere Version dieser Geschichte. Ich kann Herrn Nowak verstehen (der UN-Sonderbeauftragte gegen Folter, Anm.), der sich weigerte, Guantánamo zu besuchen, wenn er nicht auch mit den Häftlingen sprechen könnte. Aber er kam nicht einmal nach Washington. Ich denke, dieser Bericht ist unvollständig, unausgewogen und unfair.

Standard: Es hat mehr als drei Jahre gedauert, bis die "grausame und unmenschliche Behandlung"von Gefangenen per Gesetzesänderung durch den US-Senat untersagt wurde. Was sagt das über die Arbeitsweise von Guantánamo seit 2002 -"learning by doing"?

Bellinger: Die Interpretation internationaler Verträge ist eine rechtlich komplexe Sache. Unsere Verpflichtungen gegenüber der UN-Konvention gegen Folter galten nicht eindeutig auch außerhalb der USA. Der Kongress verabschiedete deshalb ein Gesetz. Ja, es verging einige Zeit, und es hat während dieser Zeit unserem Image geschadet. Aber nicht die USA sind Schuld an diesem Mangel an rechtlicher Klarheit. Es ist ein neuartiger Konflikt. Wir sind mit 9/11 und dem Krieg gegen den Terrorismus in ein neues rechtliches Umfeld gekommen. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.6.2006)