In der Grafschaft Galway

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Wer einen Irland-Urlaub plant, sollte sich den Pullover im Gepäck sparen, um dort einen echten Aran-Pullover zu kaufen, im Familienmuster handgestrickt, damit man, wie die Legende meint, ertrunkene Seeleute wiedererkennen kann. Bösartigere Zungen behaupten, diese Wärmepanzer würden ihre Träger noch schneller als nötig ins kühle Grab befördern, weil sie so schwer sind, vor allem mit Wasser getränkt.

Aber bösartige Zungen gibt es in Irland, wie man hört und selbst erlebt hat, äußerst wenige. Die Irländer sind von einer Freundlichkeit, die einen Österreicher und vor allem Wiener nur beschämen kann. Sogar rauchende (und nicht wenig trinkende) Fußballfans vor einem (akzeptiert rauchfreien) Pub, die man auf eine lässig weggeworfene Zigarettenschachtel und den daneben stehenden Papierkorb aufmerksam macht, lächeln, bedanken sich für den Tipp und winken freundlich zum Abschied: Vor einem Austesten der gleichen Situation in Wien sei ernsthaft gewarnt.

Irland ist jedenfalls freundlich, hügelig und vor allem - reich an Landschaft. Eine der gerne genommenen Strecken geht in der Direttissima von Dublin nach Galway an der Westküste, von wo aus man sternförmig ausschwärmen und die Küsten oder die grünen Hügel - zu dieser Jahreszeit eher gelb, da der blühende Ginster überall Sonnenwolken in die Landschaft malt - erkunden kann.

Nicht viel Sonne Dieses Gelb ist auch notwendig, denn viel Sonne zeigt sich nicht in Irland. Weiß jeder, stimmt aber, wie so viele andere Klischees (nette Menschen, nette Pubs, nette Biere) wirklich. Was nicht stimmt, ist der Ruf vom kargen Essen. Ein "Pub Grub", möglichst Rind oder Lamm, mit Yorkshire Pudding oder den herrlich flaumigen Erdäpfeln ist ein Genuss. Und die vielen verschiedenen Fische, die Muscheln und Austern, und danach eine Apple- oder Rhubarb-Pie mit Vanillesauce - real' grand!

Was tut man in Irland, außer essen, trinken und abends in Pubs den sangesfreudigen Einheimischen zuhören, wenn sie zur Bodhrán, der berühmten irischen Rahmentrommel aus Ziegenhaut, die mit einem Schlägel (früher Knochen) geschlagen wird, und vielleicht zu einer Fidel und einer Tin-Whistle ihre Legendengesänge zum Besten geben?

Langsam mit dem gemieteten Auto durch die Landschaft fahren und in möglichst verschiedenen Hotels und Pensionen nächtigen zum Beispiel. Langsam deshalb, weil die Straßen verdammt eng sind (sie werden erst nach und nach den EU-Maßen angepasst) und weil man sich für Irland ohnehin Zeit nehmen sollte, denn es gibt hier keine "großen" Sehenswürdigkeit, die man nicht versäumen darf, dafür aber viel Sehenswertes, das man am besten selbst entdeckt.

Und in verschiedenen Hotels deshalb, weil man hier heutzutage mit einigen interessanten Designer-Hotels aufwarten kann. Wie dem "g" in Galway, in düsterem Schiefer gehalten, mit Glitzer-Empfangsdesks, Riesenweihnachtskugeldekor, erschreckend pinken Lounges, Luxus-Badezimmern mit Parallel-Regenduschen (man kann hier gemeinsam unter zwei Duschköpfen pritscheln) und den (vermutlich) größten und schwersten Hotel-Handtüchern Europas.

Oder man nächtigt à la Agatha Christie im Cashel House mit offenen Kaminchen in fast jeder Nische, verwinkelten Gängen, Stübchen und Wintergärten und einem atemberaubenden Garten mit etliche Meter hohen Rhododendren und allerlei tropischem Gewächs rund um den Rasenteppich. Mit bezauberndem Personal, einer reizenden Besitzerin, die das einstige Privathaus ihrer Familie sorgsam führt, und einer Küche - einer Küche! Aber Lobpreisungen über das Essen hatten wir ja schon.

Weniger geglückt sind manche nachgebaute "Tudor"-Fachwerkhotels, aber da kann man ja stattdessen zwischendurch in einem B&B, einem Bed and Breakfast, bleiben und versuchen, mit den Gastgebern ins Gespräch zu kommen. Wobei der Versuch sicher nicht an der mangelnden Kommunikationsfreude der Iren scheitert, eher am Akzent. Der übrigens auch das Fragen nach Ortschaften etwas erschwert, weil man im Gälischen, aus dem viele Bezeichnungen stammen, alles völlig anders ausspricht, als selbst der des Englischen recht gut mächtige Besucher es je vermuten würde.

Was man noch tun sollte im Westen Irlands ist wandern. Möglichst wetterfest. Zwischendurch kommt ja auch immer wieder die Sonne durch, und dann gibt es Wolkenstimmungen, die an Dramatik nicht zu überbieten sind. Vor allem an den Klippen und Fjorden, aber auch über den Hügeln und Moorlandschaften, die übrigens nicht ungefährlich sind und nie alleine bewandert werden sollten - traurige Geschichten gibt es da viele zu hören.

Wie überhaupt viele Geschichten und gerne Geschichte: Irländer lieben ihre Vergangenheit. Die labyrinthische Teilung Irlands durch mäandernde Schichtsteinmauern, die vielen geheimnisvollen Dolmen (riesige Steintische) und mystischen Wald- und Steinkreise, die bizarren Küstenfelsen machen das Land zum Gartenkunstwerk. Und dazwischen bauten und bauen begnadete Gartengestalter ihren eigenen Pflanzenkosmos: klassisch wie bei Kylemore Abbey, mitten in den Connemara-Bergen, wo ein ummauerter viktorianischer Garten mit Energie sparend angelegten Gewächshäusern die Herrschaft mit exotischen Früchten, Blumen und Gemüse versorgte.

Oder in wiederentdeckter Kelten-Symbolik, wie in dem neu gepflanzten Birgit's Garden an der N 59 zwischen Moycullen und Oughterard, wo der Kreislauf des Lebens und der Jahreszeiten durchschritten wird - herrlich entspannend, wunderbar duftend und liebevoll betreut. Und dann zurück in Dublin, in den "Fußstapfen" von Mr. Bloom, unterwegs im bunten Temple-Bar-Viertel, über die vielen Brücken . . ., aber das ist wieder eine andere Geschichte. (Der Standard/rondo/16/6/2006)