ÖGB-Präsident Hundstorfer beharrt darauf, erst im Frühjahr 2006 von Milliardenschulden erfahren zu haben.

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Wien - Wer wusste wann was über die Übernahme der 1,5 Milliarden Euro Schulden der Bawag durch den ÖGB? Da- rüber gibt es heftige Aus- einandersetzungen zwischen schwarzen und roten Gewerkschaftern. Christgewerkschafter Karl Klein, ÖGB-Vizepräsident, behauptete im Kurier, das gesamte ÖGB-Präsidium habe bereits im Herbst 2005 über die 1,5 Milliarden Schulden der Bawag Bescheid gewusst. Eine Darstellung, die er kurz darauf relativierte - und die von roten Präsidiumskollegen bestritten wird.

ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer, 2005 Vizepräsident, sagt zum STANDARD: "Klein verwechselt die Welt. Was er sagt, ist an den Haaren herbeigezogen."In den Präsidiumssitzungen am 16. Juni und am 6. Oktober 2005 wurde das Konstrukt Bawag P.S.K. besprochen - aber mit keinem Wort die Schulden der ÖGB-Tochter AVB, sagt Hundstorfer. Er könne das auch durch Tonbandprotokolle der Sitzung belegen.

"Schonungslose Aufklärung"

Und wann habe Hundstorfer von den Schulden erfahren? "Im Frühjahr 2006, als ich Präsident wurde. Da wurde das im Präsidium besprochen. Denn ich bemühe mich seit meinem Amtsantritt um schonungslose Aufklärung."

Die Aussage Kleins müsse Folgen haben, fordern rote Kollegen Hundstorfers: "Herr Klein dürfte an Übernächtigung leiden. Wenn dem so ist, dass er all das gewusst hat, kann er nur eine Konsequenz ziehen: zurücktreten", fordert der Ex-Chef der Metallgewerkschaft, Rudolf Nürnberger, im Standard-Gespräch. Er sagt über die Sitzung am 16. Juni: "Da wurde nichts über Aktiva und Passiva der Bawag gesprochen. Ich weiß nicht, woher Klein das hat."

Unglaubwürdigkeit

Klein hatte auch behauptet, dass der frühere Präsident der Gewerkschaft der Privatangestellten, Hans Sallmutter, bei der entscheidenden ÖGB- Präsidiumssitzung anwesend war. "Ich war das ganze Jahr 2005 in keiner Präsidiums- sitzung mehr, weil ich in Pension war", dementiert Hans Sallmutter gegenüber dem Standard. "Ich habe das Herrn Klein auch mitgeteilt und ihm gesagt, dass ich sein Vorgehen für unanständig und kleinlich halte."Das ist für Hundstorfer ein Beleg für Kleins Unglaubwürdigkeit: "Er weiß nicht einmal die Sitzungsteilnehmer."

Prinzipiell wurde über die Probleme der Bawag laut Sallmutter im Präsidium nie offen gesprochen: "Es hieß immer: Alles bestens."Jetzt herrsche im ÖGB "flächendeckende Verzweiflung." (Eva Linsinger, Barbara Tóth/DER STANDARD, Printausgabe, 16. 6.2006)