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Alles begann mit dem Schild, das Teresa Castillo von einem zufriedenen Gast geschenkt bekam. "Traditional Garifuna Food" stand darauf zu lesen. Als die Hausfrau mit der Ausstrahlung einer Blues-Sängerin es vor ihrem bescheidenen Heim in Hopkins, Belize, aufstellte, rannten ihr die Touristen plötzlich die Tür ein.

 

Alle verfügbaren Tische und Sessel rückte sie unter den Mangobaum in ihrem Hof, tischte Filets vom Red Snapper mit Cassava, Yams und gekochte Bananen auf. Als sie ihr Garifuna-Dinner mit Kokos-Kuchen ausklingen ließ, hatte Teresa Castillo auch den letzten Skeptiker überzeugt. Nur sie selbst schien nachdenklich.

Hatte sie bis dahin nur auf persönliche Empfehlung gekocht, stand nun die Idee eines Restaurants im Raum. Dafür bräuchte es Lizenzen und Investitionen. Mehr Geld, aber auch mehr Stress. Ist das erstrebenswert? Das ist die Frage, die sich ganz Belize stellt. Nach ökonomischen Kriterien müsste die Frage längst entschieden sein.

Die Bewohner des Karibik-Landes sind eigentlich viel zu arm, um ihre türkis leuchtenden Lagunen, ihre fischreichen Korallenriffe, ihre tropischen Tauchreviere, ihre Insel-Refugien und ihren mit Jaguaren und Maya-Ruinen gespickten Dschungel nicht auf Teufel komm raus zu erschließen. Wie das geht, hat die zu Mexiko gehörende Halbinsel Yucatan im Norden vorexerziert. Belize dagegen, mit etwa 23.000 Quadratkilometern etwa so groß wie Niederösterreich und das Burgenland zusammen, scheint seine Attraktionen nicht übermäßig promoten zu wollen.

Aschenputtel der Karibik

Dass es das Aschenputtel der Karibik seinen Besuchern nicht leicht macht, merkt man spätestens beim Versuch, sich in einem landestypischen Bus von A nach B zu bewegen. Vor 30 Jahren beförderten die gelb-schwarzen Monster Teenager in Georgia, Alabama und Florida in die Schule. Nun rumpeln sie im früheren British Honduras ihrem Ausgedinge entgegen.

Ersatzteile gibt es zwar auf Jahrzehnte, wie die unzähligen Bus-Wracks am Straßenrand verraten. Dagegen scheint die Inneneinrichtung unter Denkmalschutz zu stehen. Die Polsterung ist ausgeleiert und der Abstand zum Vordersitz minimal. Dafür vibriert das Wageninnere von Reggae-Rhythmen und fetten Bässen. Dass in die Verbesserung der Soundanlage frisches Geld gesteckt wurde, verrät vieles über die Befindlichkeit des Landes.

Das 2000 Einwohner zählende Fischerdorf Hopkins bei Dangriga gehört zu jenen Orten, in denen der Tourismus erst vor ein paar Jahren Einzug gehalten hat. Einfache Holzhäuser, die sich in zwei Reihen den kilometerlangen Sandstrand entlangziehen, prägen das Ortsbild. Hühner scharren in den Vorgärten nach Insekten und umkreisen magere Hunde, die unter Kokospalmen und Mangobäumen dösen.

Ein paar Restaurants mit sehr ähnlicher Speisekarte gibt es, dazu die ein oder andere Bar. Erst vor zehn Jahren kam Elektrizität nach Hopkins, erzählt die Engländerin Patricia Sturman, die eine Pension an einem der schönsten Strandabschnitte betreibt. Dass sich seine Bewohner noch nicht mit Haut und Haaren dem Tourismus verschrieben haben, macht Hopkins sympathisch. Ein Ort, an dem man weder Marlboro-Zigaretten noch Budweiser Bier kaufen kann, hat auf der Welt und erst recht im Hinterhof der USA Seltenheitswert.

Fliegende Händler

In diesem Gefüge haben auch fliegende Händler Platz: der Gemüsemann, der einmal die Woche Grünzeug von seinem Pick-up herunterverkauft, und die Kinder, die von Pension zu Pension tingeln, um Kokoskuchen oder Brot an die Besucher bringen.

Ein Großteil der Bevölkerung sind Garifuna, deren Geschichte bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Damals strandeten zwei Schiffe mit afrikanischen Sklaven vor der Karibik-Insel St. Vincent. Die Überlebenden vermischten sich mit den Kariben-Indianern und begründeten die einzigartige Kultur der Garifuna, die die Unesco als Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit anerkannt hat.

Viele ihrer afrikanisch-karibischen Bräuche haben die Garifuna, die in Belize etwa sieben Prozent der Bevölkerung stellen, bis in die Jetztzeit gerettet. Für manche von ihnen hat der Tourismus neue Möglichkeiten eröffnet. "Die Besucher bringen Geld in den Ort", befindet Noel, der, wenn er nicht gerade Fischen und Krabben nachstellt, ein Restaurant betreibt und Schnorcheltouren organisiert.

Zwei Interessenten

Haben sich zumindest zwei Interessenten gefunden, packt er eine Kühlbox in sein Boot und steuert die größte Attraktion seiner Heimat an: das Barriere-Riff, das sich wie eine zweite Haut an Belize schmiegt und nach dem Großen Barriere-Riff vor Australiens Ostküste das zweitlängste der Welt ist. Eine weiße Schaumlinie zeigt die wellenbrechenden Kalkbänke an, die aus den Tiefen des Meeres emporwachsen. Jenseits der Barriere, wo der offene Ozean tintenblau schimmert, finden Taucher auf einer Länge von 300 Kilometern eines der besten Unterwasser-

reviere des Planeten vor. Walhaie, Mantas und andere exotische Kreaturen bevölkern das Riff. Und in den geschützten Lagunen eröffnen sich selbst den schwächsten Schnorchlern Wunder, die sie ihr ganzes Leben nicht vergessen werden. Seesterne und die torpedoförmigen Umrisse junger Barracudas sind im glasklaren Wasser auszumachen, das in allen Abstufungen von Grün, Türkis und Blau funkelt. Tropenfische tummeln sich zwischen farbenprächtigen Anemonen und geweihförmigen Korallen.

Entlang des Barriere-Riffs

Zum Lunch steuert Noel South Water Caye an, das als eines der exklusivsten Refugien entlang des Barriere-Riffs jedes karibische Klischee erfüllt. Eine sanfte Brise trägt das Grollen vom Riff heran. Palmen beschatten die weiß gestrichenen Bungalows, die im Diskretionsabstand voneinander auf den puderzuckerweißen Sand gesetzt worden sind. An den Kais liegen Kajaks für Sportliche, Hochsee-Yachten für Taucher und Motorboote für Wasserski-Fahrer. Ein Ort, der alles hat, um alle Hast zu vergessen.

Auf Hochglanz polierte Wohlfühlwelten sind die andere Seite des Tourismus in Belize. Frequentiert werden sie meist von US-Amerikanern, die für ihren Urlaubstraum ohne Begleiterscheinungen wie krähende Hähne um fünf Uhr früh und sichtbare Armut hunderte Dollars pro Tag hinblättern. Die Welten der Resort-Besucher und der Individual-Reisenden überschneiden sich selten.

Dies gilt für die vorgelagerten Cayes (sprich: "Ki:s") ebenso wie für das Festland. Hopkins ist dafür ein gutes Beispiel: Irgendwo hinter der letzten Hütte verläuft eine unsichtbare Grenze, die das traditionelle Fischerdorf von den Luxus-Resorts zwei Kilometer weiter südlich trennt.

Aber nur am Strand von Hopkins kann man vom Liegestuhl aus die hunderte Kilo schweren Manatees beobachten, wie sie in nur 50 Meter Entfernung die Unterwasserweiden abgrasen. Freundlich und behäbig, ganz so wie der Gang der Geschäfte in Hopkins.

Ruhiger ist das Leben auch wieder für Teresa Castillo geworden. Weil sie keine Lizenz für ihr Restaurant hatte und den Neid eingesessener Lokalbesitzer zu spüren bekam, räumte sie das Schild wieder weg. Seitdem kommen die Leute auf Empfehlung zu ihr. Quasi privat: Und das ist besser. Denn so hat sie auch Zeit, mit ihren Gästen etwas länger zu plaudern. (Der Standard/rondo/16/6/2006)