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Foto: Reuters/KIM KYUNG-HOON
Das Gute zuerst: Wissenschaft ist wieder wer. Wo bis vor Kurzem Themen wie "Forschung und Entwicklung" oder "Welt der Wissenschaft" in individuellen zerebralen schwarzen Löchern versickert sind, mit dem Hinweis, dass man Tennis, Klavier, Capoeira oder Französich für Fortgeschrittene könne - und man überhaupt "mehr musisch" sei - da dringt nun Savoir durch die humanistische Blödigkeit. News ist dabei, wie so oft, am Puls der Zeit und kann wöchentlich mit Science-Krimis wie "Kolibris haben hervorragendes Gedächtnis" oder "Zaubermantel von Harry Potter Realität?" aufwarten. profil berichtet über Klonpferderennen und über vorausschauende Affen, auch der Stern titelt faunisch "Kranke Langusten werden gemobbt" und der Spiegel gibt's den Belehrbaren mit "Vor dem Urknall - Blick in Gottes letzten Schlupfwinkel".

Von wannen dieser akademische Furor, dieses wahllose Botanisiertrommeln? Seit wann kann P.M. (vormals Peter Moosleitners interessantes Magazin) den heimischen Wissensdurst nicht mehr im Alleingang stillen? Sind Astrophysiker, Biochemiker, Paläontologen und Genforscher nun auch Protagonisten der Spaßgesellschaft? Gibt es neben Frau Wissenschaftsminister Gehrer und den von ihr dazu verdonnerten wehrlosen Schülerkohorten echte Fans von Ausstellungen, Reporta- gen und Sachbüchern über die grindigen Paraphernalien von Individuen, die bei Asterix und Obelix längst abgehandelt wurden? So lebten die Sumerer/Phönizier/ Wikinger/Druiden. Das verschwundene Reich der Ägypter/Hethiter/Awaren/Vandalen. "Das Geheimnis der Wolkenmenschen-Inka" gibt's derzeit im Technischen Museum und "Eine Zeitreise zu den alten Römern" bei der Stromfirma Wien Energie.

Das Ärgerliche an diesem neuen Wissenschaffen ist jedoch, dass man nun erst wieder Science lesen muss, um die wirklich tollen Sachen zu erfahren: Da haben sie 18.000 Jahre alte Skelette der Gattung Homo sapiens ausgegraben. Und jetzt wird herumdebattiert, ob diese vermeintlich neue Menschenart vielleicht doch nur eine Rasse mikrozephaler Zwerge war. Weil der arme Homo floresiensis es bei einer Größe von knapp einem Meter gerade einmal zu einem grapefruitgroßen Kopf gebracht hat. Yeah.
(Una Wiener/Der Standard/rondo/16/06/2006)