Wien - Da freut man sich, endlich ein Festwochenkonzert ohne die kalendarisch diktierte Mozart-Zuwaage erwischt zu haben, und wird mit dem Programm trotzdem nicht recht glücklich - schon eher mit den Interpreten.

Denn seit Riccardo Muti die Mailänder Scala los ist, wirkt er wie ausgewechselt. Im Grunde braucht er diesen defizitären Kasten ja wirklich nicht, weil er, wie man am Montag im Musikverein hören konnte, auch das Konzertpodium zum Opernschauplatz zu machen versteht.

So präzise, so kontrastreich, so grell (fast möchte man fetzig sagen), wie er das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks die Ballettmusik aus Giuseppe Verdis Macbeth spielen ließ, hört man diese aus kaum einem italienischen Orchestergraben. Muti gestaltet sie mit dieser brillant aufspielenden Riesenformation so plastisch, dass sich das ganze szenische Unheil beinah zur Sichtbarkeit verdichtet.

Bei der als frenetisch bejubelte Zugabe erklingenden Einleitung zu Verdis Giovanna d'Arco könnte man während des anfänglichen kollektiven Streicherparkinsonismus, den Muti da lustvoll entfesselt, fast so etwas wie verhohlenen parodistischen Humor erkennen. Auch wenn die Gäste aus Bayern kommen: Meisterschaft jenseits des Bierernsts.

Letzterer hätte sich allerdings beinah im zweiten Klavierkonzert in b-Moll von Giuseppe Martucci (1856-1909) breit gemacht - weniger in der Wiedergabe als im Werk. Unter dem Eindruck dieses spätromantisch schlierigen Kolosses kann man getrost sagen, wenn schon b-Moll, dann gleich Tschaikowsky.

Trotz der auch durch Gerhard Oppitz als Solisten sehr animierten Wiedergabe konnte das Defizit dieses Werkes, das Fehlen einer einprägsam formulierten Thematik, nicht ausgeglichen werden. Da wäre beinah der Wunsch nach einem Mozart erwacht.

Rhapsodischer Dvorák

Für diesen Einwand hätte es kaum einen besseren Beleg gegeben als die den offiziellen Teil des Programmes beschließende F-Dur-Symphonie (op. 24) von Anton Dvorák. Was im vorangegangenen Werk fehlte, war hier in solcher Überfülle vorhanden, dass es schon einer - ebenfalls zur Theatralik - neigenden klaren Disposition durch Riccardo Muti bedurfte, um der beinah rhapsodisch wirkenden melomanischen Gedankenflucht Herr zu werden.

Dass die Konzentration gerade vor der pastosen Schlusssteigerung ein wenig nachließ, tat der Begeisterung des Publikums keinen Abbruch. (Peter Vujica/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15. 6. 2006)