Wien - 1962 war William Friedkin, der in den 70er-Jahren mit Filmen wie The French Connection und The Exorcist zu einem der erfolgreichsten Regisseure des New-Hollywood-Kinos werden sollte, noch ein unbekannter Filmemacher mit großen Ambitionen. Für den Chicagoer TV-Sender WGN realisierte er in diesem Jahr die Dokumentation The People vs. Paul Crump, eine ebenso engagierte wie vielschichtige Arbeit über einen zum Tode verurteilten Afroamerikaner, der bei einem Überfall auf eine Fabrik angeblich einen Sicherheitswächter ermordet hat.

Er selbst betonte stets seine Unschuld. Friedkin greift den Fall über mehrere Seiten nochmals auf. Zum einen thematisiert er den Gefängnisalltag, zeigt Crump als vorbildhaften Insassen, der mit seinem Wächter freundschaftlich verbunden ist - und kritisiert damit schon sehr direkt die Todesstrafe; zum anderen geht er in die Vergangenheit zurück und reinszeniert entscheidende Ereignisse wie den Überfall und die Festnahme Crumps sowie die Folterszenen, mit der die Polizei ein Geständnis erwirkte.

Zwischen Verité-Ansätzen, B-Movie-Elementen und solchen des Film noir changierend, hinterfragt The People vs. Paul Crump nicht nur das Urteil dieses Prozesses, das offensichtlich rassistisch motiviert war, sondern, genereller, Wahrheits- und Täterbilder: Es sind etwa die Cops, die hier, wenn sie brutal, mit gezogenen Waffen in das Haus der Familie Crump eindringen, wie die eigentlichen Verbrecher aussehen.

Friedkins 60 Minuten lange Arbeit ist einer der Höhepunkte der vierten Ausgabe von "Rohstoff", der von Sylvia Szely und Dietmar Schwärzler kuratierten Kurzfilmreihe im Österreichischen Filmmuseum. Mit Todd Haynes' (Far From Heaven) Frühwerk Super- star. The Karen Carpenter Story (1987) und Gus van Sants The Discipline of D.E. (1982) stehen noch weitere Raritäten aus den Anfangsjahren heute etablierter Filmemacher und Filmemacherinnen auf dem Programm: Superstar stellt Lebensabschnitte der berühmten US-Sängerin mit Barbiepuppen nach - und in Zusammenhang zu ihrer Anorexie, während D.E. für "Doing Easy" steht, eine Handlungsanschauung für die Flexibilisierung des Alltags, frei nach William S. Burroughs. (Dominik Kamalzadeh/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15. 6. 2006)