Straßburg - Die Fußball-WM hat zu einem Anstieg der Zwangsprostitution in Deutschland geführt. "Diese Steigerung ist spürbar und das ist alles andere als irrelevant", sagte EU-Justizkommissar Franco Frattini am Montagabend im Europaparlament in Straßburg. Zwangsprostitution sei "moderne Form der Sklaverei, die Europa weder dulden noch ignorieren kann." Zugleich kritisierte er die "kalte" Reaktion des Welt-Fußballverbandes FIFA auf Aufforderungen zur Bekämpfung des Problems.

Mangelndes Engagement

In einer Anfragebeantwortung wies Frattini Kritik von Europaabgeordneten an mangelndem Engagement der EU-Kommission beim Kampf gegen Zwangsprostitution zurück. Man habe eine Reihe von Maßnahmen gesetzt. Europol habe eine Analyse für die Polizei- und Ermittlungsbehörden verfasst, um die Koordinierung der nationalen Behörden zu verbessern. Diese Analyse habe bestätigt, dass die Fußball-WM zu einem Anstieg der Zwangsprostitution geführt habe.

Es solle auch bessere Grenzkontrollen und Hilfsprogramme für potenzielle Opfer geben. Diese Frauen sollten auch nicht als illegale Einwanderer behandelt und abgeschoben werden, so Frattini. Es handle sich nämlich um "Opfer einer besonderen Form von Sklaverei".

Prets: "Auch in Straßburg steigt die Prostitution"

Die deutsche Christdemokratin Christa Klaß sprach von einem "spektakulären Anstieg" von Zwangsprostitution bei Großveranstaltungen wie der Fußball-WM. "Die Fußball-WM ist in vollem Gang und die Bordellaktivitäten in voller Blüte. Zuerst geht man zum Fußballspiel, und dann ins Bordell", sagte die schwedische Linke Eva-Britt Svensson. SPÖ-Abgeordnete Christa Prets sagte, man dürfe das Problem nicht dem Fußball in die Schuhe schieben. "Auch hier in Straßburg steigt die Prostitution, wenn das Parlament tagt."

Die Abgeordneten zeigten sich unzufrieden mit den bisher getroffenen Maßnahmen seitens der EU und der Mitgliedstaaten, um einen Anstieg der Zwangsprostitution aus Anlass der Fußball-WM zu verhindern. Frattini habe seine Ende des Vorjahres eingegangenen Verpflichtungen nicht eingehalten, kritisierte die italienische Sozialdemokratin Marta Vicenzi. "Ich zeige ihm die rote Karte für sein fehlendes Engagement."

Hotline fehlt

Prets bemängelte, dass keine einheitliche Hotline für die Opfer von Frauenhandel in Deutschland eingerichtet worden sei. Zudem forderte sie einen massiveren Einsatz der EU-Polizeibehörde Europol und der neuen EU-Grenzschutzbehörde Frontex, um die Verschleppung von Frauen nach Westeuropa zu verhindern. Man habe sich viele konkrete Maßnahmen vorgenommen, es mangle bisher aber bei der Umsetzung. "Solange die Männer nicht überzeugt sind, dass eine Verbesserung der Lage der Frau zu einer Verbesserung der Lage der gesamten Gesellschaft führen wird, wird sich sowieso nichts ändern", sagte die Vorsitzende des Frauenausschusses im Europaparlament, die slowakische Christdemokratin Anna Zaborska.

"Keine Frau darf ausgebeutet werden. Ich fordere Sie alle auf, der Zwangsprostitution eine rote Karte zu zeigen!" betonte Zaborska. UNO-Schätzungen zufolge werden vier Millionen Frauen zur Prostitution gezwungen. In Österreich, das mit Deutschland eher zu den "Transitländern" für FrauenhändlerInnen gehört, dürfte die Zahl in die Tausende gehen.

Verbot als Lösung?

Svensson sprach sich sogar für ein gänzliches Verbot der Prostitution aus. In Schweden sei dadurch auch der Frauenhandel zurückgegangen. "Wir müssen bei der Nachfrage ansetzen, das bedeutetet, dass der Kunde kriminalisiert werden soll." Prets wies diese Argumentation zurück. "Natürlich geht die Prostitution zurück, wenn sie kriminalisiert wird", sagte sie. Das führe aber nur zu einem "Weiterschieben" des Problems auf die Nachbarstaaten. Sie verwies darauf, dass die Schweden im Ausland in vergleichsweise hohem Maße käuflichen Sex konsumieren. (APA)