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Wien - Im Jahr 1992 wollten sie in der Anton-Krieger-Gasse in Wien-Liesing ein Wohnhaus bauen, buddelten für das Fundament aus - und stießen auf eine Wasserleitung. Allerdings keine der Wiener Wasserwerke, sondern auf ein altes, ein viel älteres Stück: Die 28 Meter Leitungskanal, die damals freigelegt wurden, waren einmal Teil der großen römischen Wasserleitung, die das Heerlager Vindobona versorgt hat. Andere, genau baugleiche Teile dieser Leitung waren bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckt worden. Die Quellfassung muss im Bereich des Quellgebietes vom Liesingbach gewesen sein.

30.000 Menschen versorgt

"Vor den Mauern Vindobonas hatten sich Angehörige, Händler und Handwerker in der Lagervorstadt angesiedelt", berichtet Karin Fischer Ausserer, Leiterin der Wiener Stadtarchäologie. "Das heißt: Neben den 6000 Soldaten wurden insgesamt rund 30.000 Menschen über diese 17 Kilometer lange Wasserleitung versorgt."Immerhin transportierte sie rund 4,3 Millionen Liter Wasser pro Tag.

"Die Beschäftigung mit der Geschichte der Wasserversorgung zeigt vor allem, dass die Römer bereits in weiten Bereichen unseren Stand der Technik hatten", betont Hans Sailer, Leiter der Wiener Wasserwerke und erklärter "Geschichtsfreak".

Antike Fitnesscenter

Diese - immer noch aktuelle - Vorgeschichte wird bis 21. Juni in einer Ausstellung in der "Alten Schieberkammer" beim Wiener Meiselmarkt (ein aufgelassenes Wasserreservoir) dokumentiert. Und da zeigt sich etwa auch, dass die modernsten Fitnesscenter im Grunde genommen ein alter Hut sind - wenn man sich die Rekonstruktion einer klassischen römischen Terme ansieht, mit Trainingsräumen (palaestrae), dem Kaltbad (frigidarium), dem warmen und trockenen tepidarium und dem auf ca. 50 Grad erhitzten Heißbad (caldarium). Da gab es Heißwasserwannen, oft ein Heißluftbad (laconicum), gelegentlich auch ein Schwimmbad, Massagezimmer für Ölmassagen, eine Bibliothek und Behandlungsräume für Ärzte.

Doch auch der Rückschritt wird in dieser Ausstellung dokumentiert: Hatten die Römer bereits ein ausgeklügeltes Kanalnetz - folgten danach Jahrhunderte der Latrinengruben (privets), die nächtens von den "Kotkönigen", den "Nachtkönigen"oder "purgatores privete"entleert wurden. Und so war diese Zeit der Senkgruben und der meist nahe gelegenen Hausbrunnen gleichzeitig eine der Epidemien.

Bis das Wiener Kanalnetz errichtet wurde - und schließlich die Hochquellleitungen. Wasserchef Sailer weiß aber auch, dass der Gemeinderatsbeschluss von 1864 für den bau der ersten Hohquellleitung eigentlich ein regelrechter Glücksfall war. Denn dieses Leitungssystem hatte eine mächtige Konkurrenz: Hätte man ein damals ebenfalls übliches "Dampfhebewerk"errichtet, hätte das auf heutige Verhältnisse umgerechnet 800 Mio. Euro gekostet. Trotzdem entschloss sich der Gemeinderat nach hitzigen Debatten für die Hochquellleitung, die umgerechnet 1,7 Mrd. kostete. "Dies beweist, dass es oft besser ist, mehr aber nachhaltiger zu investieren", ist Sailers Schluss für die Gegenwart. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 10./11.06.2006)