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Aus Anlass der Fußball-WM fragt Karl Wiesinger, ob Mozart das Fußballspiel kannte und ob er möglicherweise selbst aktiver Kicker war.



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Die Chancen, dass Mozart in England oder Italien das Fußballspiel kennen lernte, stehen 50:50. Man sollte nicht vergessen, dass zu der Zeit, als Mozart diese Länder besuchte, Fußball dort bereits sehr populär war. Außerdem kannte Mozart die Dramen Shakespeares, in denen mehrmals ausdrücklich auf dieses Spiel verwiesen wird. In der "Komödie der Irrungen" klagt beispielsweise Dromio von Ephesus, dass ihn Adriana "wie einen Fußball schlagt und stoßt". Und in "König Lear" wird Oswald vom verkleideten Grafen von Kent als "verachtenswerter Fußballspieler" beschimpft. Zur Mozartzeit wurde in England übrigens noch nicht auf einem Rasenplatz gespielt, sondern auf einem Feld, das sich nicht selten über mehrere Meilen erstreckte. Auf diese Weise konnten Fouls von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt begangen werden.

Als sich Mozart zwischen 1769 und 1773 insgesamt zwei Jahre lang in Italien aufhielt, zählte dieses Land ebenfalls bereits zu den Hochburgen des Fußballs.

Im Gegensatz zu heute durften die Spieler aber den Ball nicht nur mit den Füßen, sondern auch mit den Händen berühren, und es war sogar erlaubt, den Gegner mittels Bodycheck zu Fall zu bringen. Da sich Mozart häufig in Klöstern aufhielt und er auch des öfteren dem Vatikan einen Besuch abstattete, hätte er theoretisch selbst an diesen Orten mit dem Fußball in Berührung kommen können. Schließlich frönten nicht nur Ordensbrüder diesem Zeitvertreib, sondern auch diverse Päpste. Ob allerdings auch der mit Mozart bekannte Papst Clemens XIV. in den Gärten des Vatikan der mit Rosshaar gefüllten Lederkugel nachjagte, wissen wir nicht. Sehr wohl wissen wir aber, dass das Spiel bereits damals "calcio" hieß, was wiederum darauf schließen lässt, dass es mit einem "Fußtritt" (= calcio) begonnen wurde. Mit einem "calcio" ganz anderer Art, nämlich einem derben Foul des fürsterzbischöflichen Oberstküchenmeisters Graf Arco, sollte Mozart einige Jahre später – im Juni 1781 – Bekanntschaft machen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. (ALBUM/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11./12.6.2006)