Irgend wann vor fünf Jahren begannen teils recht prominente Journalisten, eigene Websites ins Netz zu stellen, Tagebücher oder Kolumnen zu schreiben und sie durch Postings diskutieren/ kritisieren/erweitern zu lassen. Spontan-Talente folgten ihnen.
Der Journalist Joe Blog ward geboren.
Pressefreiheit
Mittlerweile gibt es keine internationale Medienkonferenz mehr, auf der nicht das Phänomen des "Citizen Journalism" diskutiert würde. So auch vergangene Woche beim Jahreskongress des "International Press Institute" (IPI) im schottischen Edinburgh und über Pfingsten auf den parallelen Tagungen der "World Association of Newspapers" (WAN) und des "World Editors Forum" (WEF) in Moskau. Zum ersten Mal ging es ans Eingemachte: Sind Blogs und Postings nicht eine Bedrohung der Pressefreiheit? Oder steckt hinter "Citizen Journalism" ganz einfach eine neue Demokratie-Bewegung?
Neues Zeitalter des Journalismus
Dan Gillmor, der Gründer des Londoner "Center for Citizen Journalism" sah auf der IPI-Konferenz überhaupt ein neues Zeitalter des Journalismus heraufdämmern. Redakteure der alten Schule seien "Dinosaurier", sagte er. Musste aber einräumen, dass neue Websites oder Internet-Zeitungen enormer Basis-Investitionen bedürfen, um auch nur annähernd den Bekanntheitsgrad etablierter gedruckter Zeitungen zu erreichen.
Zeitung als "Frontalunterricht"
Trotzdem kann "Citizen Journalism" nicht mehr ignoriert werden, weil er sich mittlerweile, so Gillmor, zu einer "Konversation im Netz" entwickelt hat, während die traditionelle Zeitung sich immer noch wie der "Frontalunterricht" in der Schule verhalte.
Enorme Gefahren
Harold Evans, Bestsellerautor und ehemaliger Chefredakteur der Londoner "Times" wies freilich auf enorme Gefahren hin. Man könne "irgend eine Verleumdung ins Netz stellen – in der Hoffnung, dass sie vielleicht sogar von einer Zeitung gedruckt wird". Weil Blogging (seltener) und Posting (meistens) anonym passieren, können sie zu Instrumenten des Gegenteils der Meinungsfreiheit werden. Massive Verletzungen der Menschenrechte sind nur eines der Probleme. Irritationen das andere. Unter dem Namen "George Bush" kann man jederzeit posten. Ist er's oder ist er's nicht?
"Filter" bei Internet-Zeitungen
Wie reagieren Internet-Zeitungen darauf? In derStandard.at gibt es wie in vergleichbaren Medien einen "Filter". Das heißt: Postings werden vor ihrer Durchschaltung auf medienrechtliche oder andere Tatbestände geprüft. Absolute Sicherheit gibt es keine. Viele Blogger jedoch akzeptieren jede Art von Postings, weil sie letztlich nicht belangbar sind. Und die umgekehrt auch die Glaubwürdigkeit des Internet-Journalismus gefährden.
Internet-Zensur durch Regierungen
Mittlerweile gibt es bereits die Internet-Zensur durch Regierungen. Für China hat sich google.cn verpflichtet, bestimmte sensible Themen in der Suchmaschine zu blockieren. Krishna Barat, Goggle's Chef-Wissenschafter, verteidigte seinen Konzern mit dem schwachen Argument, dass man trotzdem "99 Prozent der Informationen" in chinesische Reichweite bringe.
Geschäft vor Menschenrechten
Gegen jede Zensur oder auch Selbstbeschränkung sprach sich Donnacha Delong, Chefredakteur von news.amnesty.org aus. Er sah eines der Hauptprobleme im Verhalten der Konzerne. Der China-Deal von Google werde andere dazu verleiten, Geschäft vor Menschenrechten zu stellen. Delong attackierte in Edinburgh sogar Microsoft-Gründer Bill Gates: "Auf der einen Seite investiert er in Menschenrechtsprojekte, andererseits ist sein Konzern in Projekte involviert, die zum Ladenschluss für die Meinungsfreiheit führen können."
Werbung
Wichtigste Finanzierungsquelle für Internet-Zeitungen wird auch in den nächsten Jahren die Werbung sein. Grund Nummer eins: Vor allem in Europa wird mittelfristig der Zugang zu tagesaktuellen Inhalten kostenfrei bleiben. Grund Nummer zwei: Inserate sind tendenziell interaktiv. Was im Fall von Immobilien heißt: Potenzielle Käufer können sich Objekte ansehen ohne sich auf den Weg machen zu müssen.
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