Paris – "In dubio pro reo": Das Prinzip der Unschuldsvermutung soll im französischen Rechtssystem wieder besser verankert werden. Das und mehr fordert ein Bericht, der am Dienstag im Parlament in Paris vorgelegt wurde.

Das noch aus der napoleonischen Zeit stammende Justizsystem soll umfassend reformiert werden. Das Vertrauen in das französische Rechtssystem hat zuletzt arg gelitten, vor allem durch den so genannten Outreau-Skandal.

Outreau, eine Kleinstadt bei Boulogne-Sur-Mer, ist der Ausgangspunkt einer der größten Skandale der französischen Justiz. Insgesamt 17 Männer und Frauen wurden im Jahr 2000 der Pädophilie und Kinderprostitution beschuldigt. Sie befanden sich teils über Jahre hinweg in Unersuchungshaft. Der Untersuchungsrichter, der im französischen Justizsystem zugleich als Polizeiermittler fungiert, ignorierte Beweise, die die Unschuld der Angeklagten belegten.

Als die Wahrheit schließlich 2005 bekannt wurde, war die Empörung groß. Der Prozess endete mit Freisprüchen für 13 der 17 Angeklagten. Präsident Jacques Chirac entschuldigte sich öffentlich für den Justizirrtum und setzte eine parlamentarische Untersuchungskommission ein. Die Öffentlichkeit zeigte reges Interesse an der Arbeit des Ausschusses. Das Fernsehen übertrug die Anhörungen, in denen die Justizopfer ihr Schicksal schilderten, in die französischen Haushalte. (ja/DER STANDARD, Printausgabe, 8.6.2005)