Bis zur EM 2000 nämlich war die Übertragung unter freiem Himmel in Wien auf den Votivpark beschränkt.

Foto: Standard/Matthias Crember
Wien/St. Pölten - Die Fußball-WM ist nicht nur aus sportlicher, sondern auch aus gesellschaftlicher Sicht ein höchst interessantes Phänomen: Volksfestgleich finden sich Fans und Freaks genauso wie Ballbanausen vor Fernsehern, Screens und Leinwänden jeder Größe, um dem kollektiven Mitfiebern und -wetten zu frönen. Und so treibt es von WM zu WM immer mehr Menschen vom Patschenkino hinaus in Lokale, Beisln und Schanigärten - und in Freiluftarenen, die vermehrt aus dem Wiener Boden schießen.

Bis zur EM 2000 nämlich war die Übertragung unter freiem Himmel in Wien auf den Votivpark beschränkt, die Veranstalter mussten saftige Gebühren an den ORF abliefern oder ihre Leinwände klammheimlich einem eingeweihten Kreis zur Verfügung stellen. Heuer ist die Ausstrahlung erstmals kostenfrei, sofern kein Eintritt verlangt und keine Sponsoren genannt werden - weshalb eine regelrechte Leinwandmania ausgebrochen ist.

"Jetzt macht mehr oder weniger jedes Lokal Werbung und protzt mit großen Leinwänden,"klagt Tom Eller, Geschäftsführer des Szeneclubs Flex, wo das gemeinsame WM-Schauen nebst dem Donaukanal schon längst Tradition hat. Neben der umfassenden Konkurrenz sei aber vor allem das Wetter entscheidend für das zahlreiche Erscheinen euphorisiert konsumierender Gäste - auch wenn es im umgebauten Flex-Café eine regenfeste Leinwand gibt.

Passiv-Kicken aus dem Liegestuhl

Ein Stück flussaufwärts wartet erstmals die Summer-stage an der Rossauerlände mit zwei Leinwänden auf, weiter flussabwärts locken der Kanalstrand Adria Wien auf Höhe der Salztorbrücke und die Strandbar Herrmann bei der Urania mit Passiv-Kicken aus dem Liegestuhl.

Stadion-Feeling kommt hingegen in der Krieau auf: Die WM-Arena bei der Trabrennbahn fasst rund 9000 Zuschauer, die mit einer 46 Quadratmeter LED-Wand, Rahmenprogramm und Gastro-Dorf verwöhnt werden. Am Ball ist auch die "Fußballwelt"im Stadion Hohe Warte, wo bis zu 4000 Fans alle 64 Spiele auf einer 26 Quadratmeter-Leinwand verfolgen können, Kommentare von Stargästen und ein "Menschen-Wuzler"inklusive. Absolut wetterfest ist der von Andre Heller designte "Zeltpalast"beim Gasometer, der drei Großbildleinwände für bis zu 1400 Personen bereithält. Einen Leitfaden durch die 100 besten Wiener Locations bietet der gratis aufliegende Folder "Auswärtsmatch"(siehe Webtipp).

Fixpunkt für die Verehrer der ledernen Wuchtel in St. Pölten ist das Musik- und Kulturbeisl Egon, wo eine Großbildleinwand den Innenhof schmückt. Eingeleitet wird die "Ball-Saison"von einem Spektakel mit Street Performances in der Innenstadt.

Ein besonderes Service bieten die ÖBB: Die Spielergebnisse werden in allen Fernverkehrszügen per Lautsprecher an die Reisenden weitergegeben. (kri, DER STANDARD - Printausgabe, 7. Juni 2006)