Derzeit liegt die "Negrelli" im Zentrum von Budapest vor anker. Zuvor, in Novi Sad, konnte das Frachtschiff wegen des Hochwassers nur weit außerhalb der Stadt anlegen.

Foto: Ivan Bavcevic / T-B A21

Stromaufwärts ging die Fahrt - von Donaukilometer 495 in Rousse (Bulgarien) bis Kilometer 1929, Wien:

Budapest - Ein Kunstwerk auf Flusskreuzfahrt: Kutlug Atamans preisgekrönte 40-teilige Videoarbeit Küba, installiert auf dem Frachtschiff "Negrelli", porträtiert das gleichnamige Istanbuler Armenviertel über intime Interviews mit dessen schicksalsgebeutelten Bewohnern, überwiegend Kurden.

Ursprünglich sollte das nach dem Kernstück des Projekts benannte Vorhaben, Küba - Eine Reise gegen den Strom, in Konstanza am Donau-Schwarzmeer-Kanal starten. Dann kam das Hochwasser. Nun reist der quasi auf Video gebannte türkische Slum seit 13. Mai von Rousse (Bulgarien) über Novi Sad (Serbien und Montenegro), Vukovar (Kroatien), Budapest (Ungarn) und Bratislava (Slowakei) bis nach Wien, wo das Schiff am 21. Juni eintreffen soll. Eigens für Küba produzierte Arbeiten lokaler Künstler sollen bei den Stopps auf Atamans Arbeit reagieren, mit ihm Zwiegespräche führen.

"Türkische Okkupation"

Das Projekt von Francesca Habsburgs Privatstiftung T-B A21 soll ein Katalysator für weitere Kunst- und Kulturprojekte in Osteuropa sein und will "gleichzeitig die türkische Okkupation Europas bis vor die Tore Wiens" nachzeichnen. So stand es jedenfalls in den Presseunterlagen bei der Präsentation vergangenen November in Wien.

Das bringt allerdings nicht nur Atamans eindringliche Installation in einen seltsamen inhaltlichen Zusammenhang, sondern wirft auch ein bedenkliches Licht auf das Gesamtunterfangen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Österreich wenige Wochen zuvor in der EU von sich Reden machte, weil es in der Beitrittsdebatte plötzlich eine Alternative zum Vollbeitritt der Türkei einforderte. Ob die Formulierung dadurch weniger fragwürdig erscheint?

Selbstverständlich wurde die "türkische Okkupation" recht bald aus den Unterlagen getilgt. Hingegen wurden der "enorme Symbolgehalt" und die Themen "Minoritäten" und "ethnische Gemeinschaften" betont. Papier ist geduldig. Und schließlich startete am 1. Jänner die österreichische EU-Präsidentschaft.

Kunststaatssekretär Franz Morak listete das Projekt in seiner Leistungsschau für das erste Halbjahr 2006 gleich hinter der Identitätskonferenz Sound of Europe als "schönes Vorhaben mit Weltklasse-Künstlern" zum Thema Identität. Wen wundert da noch, dass das Projekt einer mit guten Sponsorkontakten ausgestatteten privaten Stiftung, auch ohne das ein entsprechender Beiratsbeschluss dazu bekannt wäre, mit einer Subvention von 240.000 Euro aus dem Bundeskanzleramt bedacht wurde? Für weit reichende Kritik sorgt auch der Umstand, dass die Arbeiten nach der Fahrt in die Sammlung der Stiftung übergehen.

Stromkilometer 1675

In Budapest am Stromkilometer 1675, wo die "Negrelli" noch bis 11. Juni neben einigen Ausflugsschiffen vor Anker liegt, findet der Dialog mit Küba in dem zu Fuß rund 30 Minuten entfernten Ethnografischen Museum statt: László Csáki und Szabolcs Pálfi zeigen hier Agár - Das ungarische Windhund-Projekt. Beim Zappen durch die auf rund einem Dutzend Videoschirmen abrufbaren Meinungen zum Thema Hund soll die Komplexität der ungarischen Gesellschaft ablesbar werden.

Mehr Aufsehen als die eher dünn besuchten Begleitveranstaltungen vor Ort dürfte die von Francesca Habsburg initiierte Benefizauktion für die Hochwasseropfer am Samstag in Budapest erregt haben (Ergebnis zu Redaktionsschluss unbekannt).

Der Katalog, der Arbeiten von Herbert Brandl bis Hubert Scheibl versammelt, ist zusätzlich mit Fotos aus der Hand Habsburgs gestaltet, die die Katastrophe sowohl ästhetisieren als auch romantisieren. Und im Impressum dankt man unter anderem einem Sponsor des "Events": Meinl European Land. Ein Fond, der seinen Anlegern mit einträglichen Immobiliengeschäften in Osteuropa Renditen von über zehn Prozent verspricht und seinen Firmensitz auf den hinreichend bekannten Channel Islands hat ...(DER STANDARD, Printausgabe, 6.6.2006)