Philipp Köster (34) ist Chefredakteur des Fußballmagazins "11 Freunde" und Kolumnist des Monatsmagazins "Datum". "11 Freunde" wurde 2000 in Berlin gegründet und erscheint monatlich mit einer Auflage von 90.000 Exemplaren.

foto: 11freunde
derStandard.at: Ein Ex-Sprecher der deutschen Bundesregierung hat im Vorfeld zur Fußball-WM Besucher davor gewarnt, bestimmte Gegenden in Berlin und Brandenburg aufzusuchen: "Es gibt Städte, wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen." Ist es in Deutschland tatsächlich so gefährlich?

Köster: Kommt immer darauf an, wo man hingeht. In diversen ostdeutschen Kleinstädten, aber auch manchen Bezirken Ost-Berlins würde ich mich als dunkelhäutiger Bewohner nicht sonderlich wohl fühlen. Wer allerdings die offiziellen Touristen-Pfade nicht verlässt, muss sich keine Sorgen machen.

derStandard.at: Ein von der Polizei verbotener NPD-Aufmarsch in Gelsenkirchen während der Fußball-WM darf nun doch stattfinden. Erwarten Sie eine WM der Neonazi-Aufmärsche?

Köster: Nein, dafür fehlt den Neonazis schlicht das Personal. Und überhaupt: Bei diesen sogenannten Aufmärschen latschen stets nur kleine Häufchen kurzhaariger Herren durch die Straßen und brüllen dummes Zeug. Nach einer Stunde ist der Spuk dann meistens wieder vorbei.

derStandard.at: Gibt es Anzeichen der Mobilisierung der rechten Fanszene, die eine besonders gewalttätige WM erwarten lassen?

Köster: Man sollte genau trennen, zwischen der organisierten Rechten und der Hooligan-Szene. Für viele Raufbrüder ist die WM definitiv ein Höhepunkt und ein willkommener Anlass, sich mit Anhängern anderer Länder zu messen. Und es wird der Polizei einige Arbeit bereiten, diese Szene so zu kontrollieren, dass größere Ausschreitungen im Keim erstickt werden. Aber so rechtslastig manche Hooligans auch denken, wirkliche Überschneidungen von Neonazi- und Hooligan-Szene sind eher Einzelfälle.

derStandard.at: Was sollte gegen rechte Gewalt im Rahmen der WM unternommen werden?

Köster: Diese Frage stellt sich der deutschen Polizei erst in zweiter Reihe. Zunächst geht es darum, auf den großen Fanfesten in den Innenstädten die einschlägig bekannten Hooligans auseinander zu halten. Nicht auszudenken, was passieren würde, träfen im Berliner Tiergarten größere Mengen deutscher und polnischer Schläger aufeinander. Angesichts dieser Bedrohung sind Aufmärsche organisierter Neonazis vergleichsweise einfach zu kontrollieren. Die deutsche Polizei hat damit auch bereits viel Erfahrung.

derStandard.at: NS-Statuen im Berliner Olympia-Stadion sorgen kurz vor der WM für Wirbel. Die einen wollen sie abreißen, andere meinen, man sollte gerade vor der WM die deutsche Vergangenheit nicht einfach so wegräumen. Was denken Sie?

Köster: Wer die Geister der NS-Zeit verbannen wollte, müsste das komplette Stadion als NS-Architektur abreißen. Durch die Restaurierung des Stadions ist sehr bewusst mit der Vergangenheit umgegangen worden, die jetzigen Diskussionen sind schierer Populismus und typisch für die Zeit vor einem Turnier, wenn es noch nicht wirklich etwas über die Spiele zu berichten gibt und Trittbrettfahrer den Nachrichtenhunger der Medien ausnutzen.

derStandard.at: Wer wird Weltmeister?

Köster: Deutschland wird es schon mal nicht. Klinsmanns Truppe kommt bis ins Viertelfinale, dann ist Schluss. Weltmeister wird Argentinien, vielleicht aber auch Holland oder Italien.

derStandard.at: Wird Österreich jemals wieder bei einer Fußball-WM dabei sein?

Köster: Schade, dass diese ruhmvolle Nation nicht dabei ist. Da hilft nur der radikale Schnitt: Junge Talente fördern, amerikanische Fitnesstrainer einkaufen, auch nach schlechten Spielen alles "super,super" finden - damit kommt man bei der WM bis ins Viertelfinale. Sieht man ja an Klinsmanns Truppe.