"Auf den ersten Blick ist es beeindruckend: Das Lager Guantánamo, wie es die Öffentlichkeit kennt – also Stahlgitterkäfige und Gefangene in orangen Anzügen –, gibt es nicht mehr. Anstatt dessen gibt es modernste Einrichtungen, beste sanitäre Bedingungen, ärztliche Betreuung, Klimaanlagen und Sportstätten, wo die Gefangenen Volleyball spielen können", berichtete der konservative deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, nach einem Besuch des Lagers auf Einladung der US-Regierung. Geschockt zeigte er sich allerdings von Aussagen der US-Administration zur Zukunft der rund 400 Gefangenen, die von 3000 Soldaten und Polizisten bewacht werden. "Uns wurde klar gemacht, dass es zwei Bedingungen für die Freilassung eines Gefangenen gebe: Der 'Krieg gegen den Terror' muss beendet sein, und der Betreffende muss 100 Prozent seiner Informationen an die US-Behörden weitergegeben haben."
Was 100 Prozent wären, würden die Vernehmungsbehörden im Einzelfall entscheiden, derzeit gebe es nach deren Meinung kaum jemanden, der mehr als zwanzig Prozent "geplaudert" hätte. Auch ein Freispruch würde nichts am Gefangenenstatus ändern, sagte Brok. "Die USA stehen auf dem Standpunkt, dass auch ein Freigesprochener theoretisch wieder zu einer Gefahr werden könnte und deshalb nicht freigelassen werden darf."
Lebenslang ohne Urteil
Da der "Krieg gegen den Terror" noch lange nicht zu Ende sei, könnte man davon ausgehen, dass die Gefangenen noch "sehr, sehr lange" in Guantánamo bleiben würden. "Lebenslang ist sicher nicht übertrieben", meinte dazu ein anderer Parlamentarier. Von den 400 Insassen haben bisher nur zehn überhaupt einen Prozess bekommen.
Brok verweist auf das Beispiel des Bremer Gastarbeitersohns Murat Kurnaz, der bereits im Jänner 2005 freigesprochen wurde und noch immer in Guantánamo ist. "Die USA haben uns gefragt, wie wir Herrn Kurnaz internieren und überwachen würden, wenn sie ihn auslieferten. Aber auf welcher Rechtsgrundlage sollten wir denn das tun, er ist doch freigesprochen. Wir haben gesagt, dass er bei uns ein freier Mann wäre. Also wird er nicht ausgeliefert und bleibt in Haft."