Berlin - Völlig überraschend hat der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) seine bisherige Aussage zur mutmaßlichen Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khalid el Masri korrigiert. Einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten BND-Erklärung zufolge war ein Mitarbeiter in Mazedonien bereits im Jänner 2004, also von Anfang an, über die Sache informiert.

Die Opposition nannte die offizielle Version, dass er sein Wissen nicht weitergegeben habe, unglaubwürdig. Der BND-Mann soll am 29. Juni als Zeuge im BND-Untersuchungsausschuss gehört werden.

Regierung bedauert Fehlinformation

Bisher hatte es geheißen, die deutsche Regierung habe erst im Sommer 2004, also nach Rückkehr El Masris von seinen Verhören durch den US-Geheimdienst CIA in Afghanistan nach Deutschland, davon erfahren. Dementsprechend fiel auch deren Bericht an das Parlamentarische Kontrollgremium aus. Die Regierung in Berlin bedauerte die durch die neue Nachrichtenlage bedingte Fehlinformation.

In der BND-Erklärung heißt es, im Zusammenhang mit der Benennung von Zeugen für den Untersuchungsausschuss habe ein Mitarbeiter des mittleren Dienstes erklärt: "Er sei in der ersten Januarhälfte 2004 Teilnehmer an einem Gespräch in einer mazedonischen Behördenkantine gewesen. Dabei habe ein ihm Unbekannter beiläufig berichtet, ein deutscher Staatsbürger namens El Masri sei am Flughafen Skopje festgenommen worden, da er auf einer Fahndungsliste gestanden habe. El Masri sei den Amerikanern übergeben worden."

Weiter heißt es in der BND-Erklärung: "Da der Mitarbeiter mit gänzlich anderer Aufgabenstellung vor Ort eingesetzt war und ihm der Name El Masri nichts sagte, habe er keinen Anlass gesehen, diesem Sachverhalt nachzugehen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe er die Information auch nicht weitergegeben."

Die deutsche Regierung sprach von einer "Informationspanne". Vertreter der Großen Koalition räumten ein, dass es sich um einen "bedenklichen Vorgang" handle.

Die Obleute von FDP, Linkspartei und Grünen, Max Stadler, Christian Ströbele und Wolfgang Neskovic, priesen die wahrheitsfördernde Wirkung öffentlicher Aufklärung. Sie nannten es gleichzeitig wirklichkeits- und lebensfremd, dass der BND-Beamte sein Wissen nicht weitergegeben haben soll. Es sei die Aufgabe von BND-Bediensteten, Dinge, von denen sie hörten, weiterzuleiten. Außerdem sei die Information so frühzeitig erfolgt, dass El Masri noch in Mazedonien gewesen und noch nicht nach Afghanistan ausgeflogen worden sei. Deutsche Behörden hätten also noch intervenieren können.

Überrascht reagierte auch die Staatsanwaltschaft München, die wegen der Entführung El Masris ermittelt. Oberstaatsanwalt August Stern sagte gegenüber dem "Tagesspiegel" (Freitag-Ausgabe): "Wir hatten bisher keine Ahnung, dass ein BND-Beamter schon so früh von dem Fall gewusst hat." Der Mann solle auch dort als Zeuge befragt werden.

Der BND-Untersuchungsausschuss beschloss unter anderem, den früheren deutschen Innenminister Otto Schily (SPD) und den ehemaligen Außenminister Joschka Fischer (Grüne) in den Zeugenstand zu rufen. Beide Minister hatten mit ihren Auftritten vor dem Visa-Untersuchungsausschuss 2005 für Aufsehen gesorgt. Die Ausweitung des Untersuchungsauftrages, der nach dem Willen der Opposition auch den Komplex Bespitzelung von Journalisten umfassen soll, soll erst in drei Wochen behandelt werden. (APA/AP)