Das aktuelle Baugeschehen in Tirol wird seit einigen Jahren gerne zum westlichsten Bundesland Vorarlberg in Beziehung gesetzt, das als Pionierregion baukulturellen Engagements mit anderen lokalen Entwicklungen lange Zeit kaum vergleichbar schien. Spätestens in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts änderte sich dies, und "Tirol stand plötzlich neben Vorarlberg als Szene, als vitales Netzwerk und eben nicht als 'Schule' oder als bloßes Gemenge von Individualisten im Rampenlicht" (Otto Kapfinger im Architekturführer "Bauen in Tirol seit 1980").

Ins Rampenlicht überregionaler Architekturrezeption geriet Tirol unter anderem bekanntlich durch die Erfolgsgeschichte der Lebensmittelmarkt-Kette MPreis (die heuer auch auf dem Spielplan der Architekturtage steht) sowie durch Bauten von international renommierten Architekten wie Zaha Hadid, Dominique Perrault und Ben van Berkel, die das Stadtbild von Innsbruck wesentlich mitgeprägt haben.

Nach der Sprungschanze, die seit 2002 den Bergisel krönt, widmet sich Zaha Hadid nun einer Standseilbahn. Die so genannte "Nordkettenbahn neu" soll teilweise über-, teilweise untergründig geführt werden – eine "einschneidende" Spur durch Innsbruck. Ende 2005 wurde mit der Realisierung begonnen. Die Architekturtage laden aus diesem Anlass zu einem fachkundigen Stationsbaustellen-Lokalaugenschein.

Bauberatungen

Als weiterer Kristallisationspunkt städtebaulichen Umbruchs steht der Innsbrucker Sparkassenplatz auf dem Programm, wo in den nächsten Jahren mehrere relevante Projekte realisiert werden, die Impulse für das gesamte urbane Umfeld erwarten lassen. Auf dem Sparkassenplatz (bzw. für Osttirol im Stadtzentrum von Lienz) werden als besondere Serviceleistung am 9. Juni zudem auch kostenlose Bauberatungen angeboten, wo man sich ein konkretes "Bild von der Vielfalt und Kompetenz der Tiroler ArchitektInnen" machen kann.

Auch in einem weiteren Sinn fordern die Architekturtage zur Revision vertrauter Ansichten auf: Unter dem Titel "Verborgene Orte – Vergessene Bauten" thematisiert Daniel Fügenschuh unsichtbare, vernachlässigte oder allzu selbstverständliche Architekturen des Stadtraums, im beispielhaft revitalisierten "Adambräu" von Lois Welzenbacher wird Einblick in ansonsten unzugängliche Räume geboten, und auf einer Floßfahrt am Inn kann man sich der Biografie eines urbanen Flussabschnitts widmen. (Gabriele Kaiser, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.6.2006)