Wien - Die Mutter des kleinen Juan, der am 12. November 2002 bei einem schrecklichen Unglück in einem Aufzug in einem Wohnhaus in Wien-Josefstadt erdrückt wurde, ist im Straflandesgericht vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen freigesprochen worden. "Ihr konnte absolut kein Fehlverhalten nachgewiesen werden", begründete Richter Thomas Schrammel am Mittwoch gegenüber der APA seine nicht rechtskräftige Entscheidung. Die Staatsanwaltschaft behielt sich dagegen vorerst Rechtsmittel vor.

Der 16 Monate alte Bub war mit dem Kopf eingeklemmt worden, nachdem ihn seine Mutter, die das jüngste Kind auf dem Arm trug, mit seinem um ein Jahr älteren Bruder zum Lift gebracht hatte. Ausgerechnet in dem Moment, als sich Juan zwischen dem Fahrkorb und der Lifttür befand - vermutlich wollte er der Mutter folgen - , drückte in einem anderen Stockwerk jemand auf den "Rufen"-Knopf und setzte damit die Anlage in Betrieb.

Bub war sofort tot

Der Lift fuhr an und riss Juan mit. Er war sofort tot. Staatsanwältin Theresia Schuhmeister Schmatral erhob daraufhin nicht nur gegen sieben Mitarbeiter der Aufzugsfirma, den als Subunternehmer mit dem Umbau des sanierungsbedürftigen Lifts eingesetzten Baumeister, den mit der Prüfung betrauten TÜV-Mitarbeiter, den zuständigen Beamten von der Baupolizei sowie die Hausverwalterin Anklage - das Strafverfahren gegen die Personengruppe war bereits im vergangenen März zu Ende gegangen - , sondern auch gegen die Mutter.

Sie kreidete ihr die Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflicht an. Die Anklage war davon ausgegangen, dass die Mutter zur Wohnung zurückgekehrt war, um das jüngste Kind zu holen, was nach Angaben von Juans Vater nicht den Tatsachen entsprach. Immerhin sei ein Schild angebracht gewesen, aus dem hervorging, dass kleinen Kindern die Benützung des Lifts nur in Begleitung von Erwachsenen gestattet sei, lautete einer ihrer Vorwürfe.

Das Gericht nahm es allerdings als erwiesen an, dass die Frau gar nichts anderes vor hatte: Sie habe den Aufzug erst starten wollen, nachdem sie alle drei Kinder in diesen gebracht hatte. Daraus ein schuldhaftes, rechtswidriges Verhalten abzuleiten, sei "vollkommen haltlos", so Richter Schrammel gegenüber der APA.

Ö-Norm nicht eingehalten

Ursächlich für den tödlichen Unfall war laut Sachverständigengutachten vielmehr das Nichteinhalten einer Ö-Norm, die für den Abstand zwischen Fahrkorb- und Lifttür mit maximal zwölf Zentimetern vorgab. Im gegenständlichen Fall betrug dieser 19,2 Zentimeter. Der Kopf des Buben hatte einen Durchmesser von 19 Zentimeter und passte somit fatalerweise genau hinein.

Folglich war im vorangegangen Prozess ein Monteur der Aufzugsfirma nicht rechtskräftig zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Der in der technischen Abteilung beschäftigte Ingenieur hatte trotz Fehlens sowohl der Baubewilligung als auch der Fertigstellungsanzeige entschieden, den Lift in Betrieb zu setzen. Da der TÜV außerdem in einem Prüfgutachten auf insgesamt drei Baumängel hingewiesen hatte, war für den Richter der Tatbestand der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen zweifelsfrei erfüllt.

"Endlich rehabilitiert"

Juans Vater zeigte sich am Mittwoch erleichtert, "dass nun fest steht, dass meine Frau keine Schuld an seinem Tod hat", wie er im Gespräch mit der APA formulierte. Sie sei "nun endlich rehabilitiert". Die vergangenen dreieinhalb Jahre hätte die Familie "als große Belastung, als Katastrophe" erlebt. Seine Frau hätte den unsicheren Ausgang des Strafverfahrens "natürlich als Bedrohung" empfunden.

Die mittlerweile siebenköpfige Familie lebt nach wie vor in jenem Haus, in dem das tragische Unglück passiert ist. Die Wohnung war erst kurz vorher um teures Geld saniert worden, einen Umzug kann sich die Großfamilie nicht leisten. (APA)