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Springende Delfine: Attraktion für Touristen und Begleiter von Schiffen - auch von jenen der Fischereiindustrie. Trotz Artenschutz wird die Population immer stärker dezimiert.

Foto: APA/dpa
Brüssel/Madrid - Das Meer vor Galicien, dem Nordwestzipfel Spaniens, ist für seine tosende Brandung bekannt. Mit fast 300 Fisch- und 75 Tintenfischarten sowie mindestens 19 Arten von Meeressäugern bergen die galicischen Gewässer aber auch eine enorm hohe Biodiversität. Das lockt wiederum die Fischereiindustrie. Eine von der EU geförderte Langzeitstudie gibt nun Aufschluss über den Eingriff des Menschen in diese Biodiversität.

Dreizehn Jahre lang haben Biologen vom Spanischen Institut für Ozeanografie in Vigo die angeschwemmten Kadaver des Gemeinen Delfins untersucht. Als häufigster Wal im Atlantik steht er besonders im Visier der Fischer. Trotzdem gehört der "Delphinus delphis", wie die anderen Wale auch, zu den geschützten Arten. Und wie diese gerät auch der Gemeine Delfin immer wieder in die Fangnetze, was meist tödlich endet.

Diese Todesursache gilt mittlerweile als größte Gefahr für die Walpopulationen in Galicien. Die Forscher um Begona Santos analysierten den Mageninhalt von 413 angeschwemmten Delfinen auf ihr Beutespektrum und diagnostizierten, falls möglich, anhand von Verletzungen die Todesursache. Die Ergebnisse: 25 Fisch- und 15 Tintenfischarten identifizierten die Biologen in den Delfinmägen, hinzu kommen Krebse und Borstenwürmer. Zu den Hauptmahlzeiten zählten jedoch Blauer Wittling (Kabeljauverwandter), Sardine und Bastardmakrele - die alle auch von Fischern begehrt sind.

So überrascht es nicht, dass mehr als ein Drittel der Kadaver Verletzungen aufwies, die eindeutig für Tod durch Fischerei sprachen: Schnitte im Fleisch, Reste von Schnüren an der Schwanzflosse oder gar abgerissene Fluken. Zwei Delfine waren offenbar von Haien gebissen worden, einer von einem Großen Tümmler angegriffen und ein weiterer war erschossen worden.

Analyse der Kadaver

Bei den anderen Kadavern konnte die Todesursache nicht eindeutig ermittelt werden, zum Teil, weil sie schon arg verwest waren. Die Biologen halten es jedoch für "sehr wahrscheinlich", dass darunter noch etliche weitere Fischereiopfer waren.

Die Forscher haben den jährlichen Beifang von Gemeinen Delfinen in Galicien auf 764 geschätzt. Da diese Zahl auf eigenen Beobachtungen und Berichten von Fischern beruht, gilt sie bei Wissenschaftern als Untergrenze. Bei einer Population von 8000 Delfinen bedeutet dies jedoch, dass pro Jahr mehr als neun Prozent der Tiere in Netzen zu Tode kommen. Und das liegt weit über der Grenze, die nach dem Abkommen zum Schutz der Kleinwale als tolerierbar gilt: zwei Prozent.

Jegliche weitere, durch den Menschen verursachte Ausdünnung der Population sei "inakzeptabel". Denn dass auch eine robuste Art wie der Delfin in Not geraten kann, zeigt das Beispiel Mittelmeer, in dem er einst in großer Zahl lebte. Inzwischen ist die Population dort so stark dezimiert, dass sie seit November 2003 auf der roten Liste der gefährdeten Tiere steht. Hauptgründe sind Beifang und Überfischung des Lebensraums. (Monika Rößiger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 5. 2006)