Berlin - In einer Urabstimmung haben sich 83,5 Prozent der Mitglieder der deutschen Dienstleistungsgewerkschaft ver.di dafür ausgesprochen, das Tarifergebnis im öffentlichen Dienst anzunehmen. Gewerkschaftschef Frank Bsirske sagte am Montag in Berlin, die hohe Zustimmung sei eine erfreuliche Resonanz auf das Verhandlungsergebnis nach 14 Wochen Streik. Er räumte ein, dass die Gesamteinigung mit Abstrichen für einige Streikende erkauft worden sei. Daher habe es "nicht nur ungeteilte Zustimmung" gegeben.

Überproportional kritisch hätten sich Beschäftigte an Universitäten und Fachhochschulen geäußert, sagte Bsirske. Arbeitszeitverlängerungen hätten in einigen Bereichen nicht vermieden werden können. Es sei aber gut gewesen, dass man sich nicht auseinander dividieren habe lassen. Unter dem Strich sei ein Interessenausgleich zustande gekommen; ein einseitiges Diktat der Arbeitgeber habe verhindert werden können. Außerdem habe sich gezeigt, dass "die Gewerkschaften auch im Länderbereich einen langen Streik durchhalten können".

Positive Bilanz

Eine positive Bilanz des neuen Tarifvertrags zogen auch der Vorsitzende der Beamtengewerkschaft dbb beamtenbund und tarifunion, Frank Stöhr, der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Konrad Freiberg, und der Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Norbert Hocke. Hocke sagte, dass im Unterbereich Wissenschaft und Universitäten nur 64 Prozent dem Vertrag in der Urabstimmung zugestimmt hätten, während in der GEW insgesamt sich 95,1 Prozent dafür ausgesprochen hätten. Gleichwohl meinte er, die Gewerkschaften seien aus dem Arbeitskampf gestärkt hervorgegangen.

Bsirske betonte, dass "auch für Ärzte deutlich wahrnehmbare Verbesserungen" bei der Arbeitszeit und den Lohnbedingungen herausgekommen seien. Er gehe davon aus, dass die Tarifeinheit in den Krankenhäusern hergestellt sei. Die Forderung des Marburger Bundes nach 30 Prozent Lohnerhöhung kritisierte er indirekt als überzogen. Stöhr erklärte: "Wir haben einen Abschluss für die Ärzte, aber nicht gegen den Marburger Bund." Der Tarifabschluss sei geeignet, auch die Ärzte wieder von der Straße in den Operationssaal zu bringen.

"Es ist gut, dass welche anfangen, sich zu wehren", beschrieb Bsirske die Grundstimmung im Frühjahr 2006. Die Arbeitgeberseite habe die "Stimmungslage, dass es reicht", unterschätzt. Der ver.di-Chef kündigte für 2008 eine weitere "spannende Tarifrunde" an, bei der es um Arbeitszeitfragen, Sonderzahlungen, die Entgeltordnung und die betriebliche Alterversorgung gehe.

Einigung nach drei Monaten Streik

Nach drei Monaten Streik hatten sich die Vertreter der Länder und der Gewerkschaften am 19. Mai auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. Danach müssen viele der etwa 800.000 Beschäftigten in 14 Bundesländern (außer Berlin und Hessen) künftig länger arbeiten und erhalten ab 2008 eine Lohnerhöhung von 2,9 Prozent. Die Arbeitszeit wird in den Bundesländern unterschiedlich geregelt und steigt in Westdeutschland im Schnitt auf 39,22 Stunden. Außerdem einigten sich die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und ver.di auf gestaffeltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld zwischen 35 und 95 Prozent eines Monatsgehaltes sowie auf Einmalzahlungen für 2006 und 2007 zwischen 100 und 350 Euro. (APA/AP)