Die marokkanische Filmemacherin Yasmine Kassari hat über die Arbeitsmigration aus Afrika bereits 1999 einen Dokumentarfilm gedreht. In "Quand les hommes pleurent" erzählen die Geflüchteten von ihren Motivationen, die Heimat zu verlassen, von ihren überhöhten Erwartungen und den Depressionen, in die sie in Südspanien verfielen. L'enfant endormi, Kassaris erster Spielfilm, nimmt dazu die entgegengesetzte Perspektive ein und verharrt mit den Frauen am Ursprungsort. Das Warten auf die Rückkehr der Männer, ihre Sorge, Einsamkeit und wachsende Unzufriedenheit rücken damit in den Mittelpunkt des Films.
Es ist der Blick zweier Freundinnen, über den man in den Alltag der Gemeinde hineinfindet und dabei vor allem von Entbehrungen der Frauen erfährt. Zeinabs (Mounia Osfour) Hochzeitsritual steht am Anfang des Films. Ihr Mann wird sie schon am nächsten Morgen gen Europa verlassen, was sie zunächst verhaltener erduldet als Halima (Rachida Brakni), die sich energischer gegen die engen Grenzen auflehnt, in die sie die soziale Ordnung der Gemeinschaft zwängt. Das Bild der ihrem Mann ergebenen Frau bleibt nämlich auch bestimmend, wenn dieser abwesend ist.
Kassari behilft sich mit einem Mythos, um diesen Zustand der Erstarrung zum Ausdruck zu bringen. Als Zeinabs Schwangerschaft offensichtlich wird, trägt sie das Kind nicht aus, sondern wird gezwungen, es mit Hilfe eines Magiers in Schlaf zu versetzen - solange, bis ihr Mann zurückgekehrt ist. Die Tradition bricht sich hier jedoch an den Bedingungen einer globalisierten Moderne. In Videos erhalten die Frauen Nachrichten ihrer Männer, aus denen sie erfahren, dass sie immer noch keine Jobs haben.
"L'enfant endormi" erzählt in ruhigen Bildern von der zunehmenden Enge in einem weiten Raum. Die Landschaft erscheint irgendwann selbst als Hindernis, weil die Figuren kaum Rückzugsmöglichkeiten haben - konsequenterweise sind sie meist in größere Ausschnitte eingefügt, ganz selten nur für sich allein.