Allzu viel traut Angela Merkel den Finnen nicht zu. Die deutsche Bundeskanzlerin geht nicht davon aus, dass die Nordländer Fortschritte im Ringen um eine europäische Verfassung machen, wenn sie am 1. Juli nach Österreich die EU-Präsidentschaft übernehmen.

Merkel ist jetzt schon klar, dass sie ein halbes Jahr später selbst ran muss, um eines der größten Probleme Europas zu knacken. Ab Jänner 2007 präsidiert Deutschland die Europäische Union, und dann würde sich Merkel gerne als "Madame Europe" beweisen, zumal viele in der EU große Hoffnungen auf Deutschland setzen.

Ein klares Bekenntnis zur EU-Verfassung hat die deutsche Kanzlerin, im Gegensatz zu anderen europäischen Regierungschefs, schon abgelegt: "Ich bin der festen Überzeugung, dass Europa eine Verfassung braucht." Aber sie fügt auch hinzu, dass man diese eben nicht aus dem Hut zaubern könne. Es könne daher auch keinen deutschen Schnellschuss geben. Merkels Maxime ähnelt dabei ihrer innenpolitischen Gangart: kleine Schritte, um Großes zu erreichen. Natürlich ist auch ihr klar, dass Europa bis ins Frühjahr 2007 gelähmt ist, denn in Frankreich und den Niederlanden wird gewählt - in jenen beiden Ländern, deren Bevölkerung die EU-Verfassung per Referendum abgelehnt hat.

Wenig Konkretes

Einen konkreten Vorschlag für eine Neubelebung der Verfassungsdebatte gibt es aus Deutschland ohnehin nicht. Merkel findet den vorliegenden, aber abgelehnten Kompromiss immer noch richtig, daher gehe es jetzt darum "wie so oft in der Politik, scheinbar unvereinbare Dinge zusammenzubringen".

Ebenso wenig Konkretes ist dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu entlocken. "Schwierig" werde es für Deutschland, geeignete Vorschläge auf den Tisch zu legen, "aber wir werden es Mitte nächsten Jahres mindestens versuchen". (DER STANDARD, Printausgabe, 26.05. 2006)