Nach der Schneeschmelze wurde der Spitzenkandidat verkündet. Nun tritt er eine Fahrt ins Ungewisse an. Der Erfolg ist fraglich, auch mit Plan B.

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Wien - Eine längere Abwesenheit kann Konflikte vergessen lassen. So viel gute Nachrede im blau-orangen Klub wie am Dienstag hatte Peter Westenthaler zu seiner Zeit als Klubobmann selten. "Ein sehr guter Spitzenkandidat", lobte etwa BZÖ-Sprecher Uwe Scheuch. Er habe ein "langes Gespräch"mit Westenthaler geführt, alle Animositäten seien ausgeräumt - oder von vornherein nicht mehr als pure "Erfindung"gewesen.

Alles paletti? Ganz so will es Günter Barnet, der Wiener BZÖ-Chef, nicht sagen. Richtiger Kandidat, falscher Zeitpunkt, meint er: "Schade, dass die Kandidatur erst so spät kommt."Westenthaler könne aber auch die kurze Zeit nutzen, immerhin sei er bekannt.

Strategiewechsel

Auch Klubchef Herbert Scheibner streut Westenthaler Rosen: "Seine Kandidatur ist sehr gut."Er sei auch nicht enttäuscht, nicht selbst Spitzenkandidat geworden zu sein: "Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht unbedingt in der ersten Reihe stehen muss."Ganz ohne Aber will Scheibner dieses Lob nicht stehen lassen, denn: "Ich habe immer die Meinung vertreten, dass ein Mitglied der Regierung der Spitzenkandidat sein soll."Leider habe sich niemand aus der Regierungsriege gefunden.

Ein Minister als Spitzenkandidat hätte auch eine andere Strategie bedeutet: Das BZÖ, wie es eigentlich bei der Gründung geplant war, als neue Partei mit eigenständigem Profil zu präsentieren - Stichwort Mittelstandspartei.

"Inhalte von früher"

Dieser Plan scheiterte aber nicht nur am Kandidaten, sondern auch am Profil. Das ist beim BZÖ schlicht nicht vorhanden, wie die langjährige Sicherheitssprecherin Helene Partik-Pablé offen zugibt: "Es ist immer noch viel zu wenig klar, wofür das BZÖ eigentlich steht."Und Westenthaler verkörpere immerhin Inhalte von früher: "Er steht für frühere erfolgreiche Regierungsarbeit und für die Erfolge der FPÖ in den 90er-Jahren."Sagt Partik-Pablé - fast als Außenstehende, denn sie gehört weder FPÖ noch BZÖ an: "Ich habe keinen Spitzenkandidaten."

Auch der Abgeordnete Markus Fauland hofft darauf, dass Westenthaler die Wähler an frühere glorreiche Zeiten erinnert: "Er repräsentiert eine andere Epoche der FPÖ. Dadurch kann er die Klientel zurückholen, die sich einmal schon für die FPÖ entschieden hatte und nun im Wartesaal sitzt."Rund 300.000 ehemalige blaue Wähler sind bei der Nationalratswahl 2002 daheim geblieben und Nichtwähler geworden. Sie hofft das BZÖ, diesmal zu einem Kreuz bei den Orangen animieren zu können.

"Wie's kummt, so kummt's"

Gerade deshalb, weil Westenthaler auch durch seinen Politikstil an früher erinnert, sagt Staatssekretär Eduard Mainoni: "Er polarisiert. Das ist angesichts des kurzen Wahlkampfs gut."

Für diesen Strategie-Versuch, die Wähler zurück in die Zukunft zu versetzen, schade es gar nicht, dass Westenthaler weder im Parlament noch in der Regierung sitze, findet Sozialsprecher Max Walch: "Da hat er mehr Zeit und muss weniger Rücksicht nehmen."Wobei Walch, wie alle orangen Abgeordneten, einen Regierungswechsel auch nicht ausschließt. Sondern oberösterreichisch-stoisch kommentiert: "Mir ist alles recht. Wie's kummt, so kummt's."

Der "Luftakkrobat"

Der blaue Abgeordnete Reinhard Bösch hält einen Regierungswechsel hingegen für ausgemacht: "Vizekanzler Hubert Gorbach hat sich monatelang und unterstützt von Kanzler Wolfgang Schüssel gegen seinen Rücktritt gewehrt. Gleich am 1. Juli, nach Ende der EU-Präsidentschaft, wird Gorbach aber gehen müssen."Denn Westenthaler könne nicht als "Luftakrobat"außerhalb des Parlaments und der Regierung hängen bleiben.

Wobei Bösch sich schon darauf freut, die "ganz sicher auftretenden"Streitereien zwischen seinen ehemaligen Parteifreunden zu beobachten: "Da werden sicher die alten Konflikte neu auftreten, etwa zwischen Westenthaler, Scheibner und Scheuch."

SPÖ und FPÖ hingegen fragen sich, wer das BZÖ finanziere. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat seine Vermutungen: Er tippt auf die Waffenlobby - oder auf Gaddafi. (Eva Linsinger/DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.5.2006)