Paris - Der derzeit solide Aufschwung der Weltwirtschaft ist nach Einschätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wachsenden Gefahren ausgesetzt. In der Euro-Zone einschließlich Deutschland seien die Chancen für einen selbsttragenden Aufschwung dennoch so gut wie seit Ende der 90-er Jahre nicht mehr, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten halbjährlichen Wirtschaftsausblick der 30 Industriestaaten.

In den Mitgliedsländern der OECD dürfte der Aufschwung in diesem Jahr zulegen und dabei auch bisher schwächere Regionen wie die Euro-Zone erfassen. Auch 2007 wird sich das Wachstum den Prognosen zufolge kaum abschwächen. Die Volkswirte warnen jedoch, dass ein Absturz des Dollars oder der Immobilienpreise, steigende Zinsen sowie eine neue Verteuerung des Öls die Weltwirtschaft hart treffen könnte. An die Europäische Zentralbank (EZB) appellierte die OECD, mit der nächsten Zinserhöhung noch bis zum Herbst abzuwarten.

IWF ebenfalls zuversichtlich

"Trotz des Gegenwindes durch die hohen und volatilen Energiepreise dürfte die Expansion in diesem und im kommenden Jahr weitergehen und sich sogar verbreitern", heißt es im Bericht. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet in diesem Jahr eine brummende Weltwirtschaft - im März sagte er sogar das zweitstärkste Wachstum seit 30 Jahren voraus. Gleichzeitig warnte die OECD mit Blick auf die Risiken: "Ein brutaler Ausgleich solcher Ungleichgewichte würde der Weltwirtschaft weh tun."

In den kommenden Monaten dürfte die Wirtschaft der OECD zufolge in den USA, Japan und der Euro-Zone etwas schneller wachsen als langfristig ohne Inflationsanstieg möglich - also über Potenzialrate. Dann jedoch dürften sich die beiden größten Wirtschaftsräume der Welt uneinheitlich entwickeln: Während die Zinserhöhungen in den USA das Wirtschaftswachstum von 3,6 auf 3,1 Prozent 2007 sachte abbremsen dürften, sollte in der Euro-Zone das Wachstum von jeweils gut zwei Prozent die freien Kapazitäten in der Wirtschaft reduzieren.

In Deutschland erwartet die OECD in diesem Jahr dank kräftiger Exporte und einer anziehenden Inlandskonjunktur ein Wachstum von 1,6 Prozent, das sich 2007 auf 1,5 Prozent abschwächt. Die privaten Haushalte dürften ihre Zurückhaltung weiter ablegen und dabei von einer Stabilisierung des Arbeitsmarktes profitieren.

Warnung vor weiteren Zinsschritten

Die EZB sollte die Zinsen im Euro-Raum nach Ansicht der OECD erst weiter erhöhen, wenn offizielle Daten den erwarteten Frühjahrs-Aufschwung bestätigen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters warnte OECD-Chefvolkswirt Jean-Philippe Cotis, zu viel auf gute Stimmungsindikatoren zu geben. Die EZB solle vor dem nächsten Zinsschritt sicherheitshalber noch die Wachstumsdaten zum zweiten Quartal abwarten, die im Oktober veröffentlicht werden. Die Finanzmärkte rechnen bereits Anfang Juni fest mit einer Zinserhöhung. Die OECD geht jedoch davon aus, dass die Leitzinsen in der Euro-Zone insgesamt noch um 1,25 Prozentpunkte auf dann 3,75 Prozent steigen - das ist mehr, als die meisten Analysten erwarten.

Auch die Japanische Notenbank mahnte die OECD, ihre Null-Zins-Politik nicht voreilig zu beenden, bevor die Deflationsgefahr ganz sicher gebannt ist. In den USA spricht sich die OECD angesichts des kräftigen Wachstums dagegen für eine weitere Straffung der Geldpolitik aus: "Ein leichter Tritt auf die Bremse scheint nötig, um die Wirtschaft im Gleichgewicht zu halten." Schon im kommenden Jahr könnte die US-Notenbank Fed jedoch ihre Zinsen schon wieder leicht senken. (APA/Reuters)