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Wer soll als Anwalt, Richter und Notar praktizieren dürfen? Die Standesvertretungen wollen keine AbsolventInnen von juristischen Kurzstudien.

Foto: APA/Leodolter
Die rechtswissenschaftlichen Fakultäten hoffen auf eine Änderung bei der restriktiven Umsetzung des Bologna-Modells in Österreich. Hintergrund: In Österreich sieht das Universitätsgesetz - anders als in den meisten anderen Staaten - ausschließlich ein dreijähriges Bachelor-Studium als ersten Abschluss vor, an den sich ein zweijähriges Masterstudium schließen kann.

Kein Berufszugang

Die Standesvertretungen von Rechtsanwälten, Notaren und Richtern wollen aber Studenten, die nur drei Jahre lang ausgebildet wurden, keinen Berufszugang gewähren. Wenn die künftigen "Voll-Juristen" aber nach dem Bachelor- quasi auch verpflichtend ein Master-Studium absolvieren müssen, würde sich die Ausbildung gegenüber dem derzeitigen vierjährigen Diplomstudium verlängern.

Die Jus-Fakultäten sitzen im Moment zwischen zwei Stühlen: Auf der einen Seite macht das Bildungsministerium über die Leistungsvereinbarungen Druck für eine Umstellung auf das Bologna-Modell (dreijähriges Bachelor- und zweijähriges Masterstudium). Gleichzeitig drohen Anwälte, Richter und Notare damit, Bachelor-"Magerjuristen" nicht anzuerkennen.

WU bleibt alleine

An der Universität Wien hat man sich daher vorläufig für die Beibehaltung des vierjährigen Diplomstudiums (mit dem Abschluss Magister) entschieden - und damit der Wirtschaftsuniversität (WU) das einzige juristische Bachelor-Studium in der Bundeshauptstadt überlassen. Die WU bietet ab dem Wintersemester 2006 "Wirtschaftsrecht" an: Absolventen dieses dreijährigen Bachelor-Studiums sollen vor allem in Rechtsabteilungen, Vorstandssekretariaten, Strategie- und Planungsabteilungen sowie in Steuerberatungskanzleien unterkommen. Unterschied zum "normalen" Jus-Studium: Bestimmte Fächer wie Rechtsgeschichte oder Völkerrecht fehlen völlig, Strafrecht wird etwa nur auszugsweise und als Wahlfach angeboten.

Wirtschaftsrecht

An der Universität Innsbruck wird man ebenfalls am "klassischen" Jus-Studium nichts ändern, betonte Dekan Gustav Wachter gegenüber der APA. Es habe zwar einen gewissen Druck seitens der Uni-Leitung gegeben, diese habe aber akzeptiert, dass eine Umstellung auf das Bologna-Modell nur in einem österreichweiten Konsens erfolgen sollte. Dagegen will man voraussichtlich ab 2007/08 das derzeitige Diplomstudium Wirtschaftsrecht auf ein Bachelor/Master-Studium umstellen. Für Absolventen dieses Studienzweigs sieht Wachter Berufschancen vor allem in Klein- und Mittelbetrieben, die bisher weder Juristen noch Betriebswirte eingestellt hätten, aber Leute mit einem "Mischprofil" aufnehmen würden.

Ähnlich die Situation an der Uni Linz: Für das klassische Studium gibt es keine Reformpläne, ab dem kommenden Wintersemester biete man aber ebenfalls ein Bachelor-Studium Wirtschaftsrecht an, so Meinhard Lukas vom Institut für Zivilrecht. Zwei Vertiefungen sollen zum Unternehmens- bzw. Steuerjuristen prädestinieren, der in Unternehmen, Steuerberatungskanzleien oder der Finanzverwaltung unterkommen kann.

Noch unschlüssig

Die Uni Salzburg hat bereits seit längerem ein Bachelor-Studium "Recht und Wirtschaft" eingerichtet. Beim klassischen Jus-Studium sei man aber noch unschlüssig über die weitere Vorgehensweise, meinte der Vorsitzende der Curricularkommission, Hubert Hinterhofer. Bevor man eine Entscheidung treffe, wolle man die Entwicklung an den anderen Universitäten beobachten.

An der Universität Graz sieht es dagegen derzeit danach aus, dass man ab 2007/08 auf ein Bachelor-Studium umstellt. "Im Hinterkopf" habe man allerdings die Hoffnung, dass der Nationalrat nach den Wahlen die Möglichkeit eröffne, vierjährige Bachelor-Studien zu erlauben, so der Vorsitzende der Curricular-Kommission Markus Steppan.

Warten auf Gesetzesänderung

Praktisch allen Jus-Fakultäten gemein ist das Warten auf eine Gesetzesänderung, die anstatt ausschließlich dreijährige auch vierjährige Bachelor-Studien erlaubt. Damit könnte - mit einem daran anschließenden einjährigen Master-Studium - einerseits die von Ministerium und Uni-Leitungen gewünschte Bologna-Studienarchitektur implementiert und andererseits den Vorgaben der Standesvertretungen für ein mindestens vierjähriges Grundstudium entsprochen werden.

Bisher ist man mit diesem Wunsch aber rundum auf taube Ohren gestoßen. Bereits im Vorjahr hätten die Vorsitzenden der Curricularkommissionen ohne Erfolg eine Petition an Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) verfasst, das Universitätsgesetz (UG) dementsprechend zu ändern, so Markus Steppan. Auch sämtliche politische Parteien seien kontaktiert worden - ohne Rückmeldung. Am meisten habe ihn das Desinteresse geärgert, so Steppan: "Alles, was wir wollen, ist ja nur eine Wahlmöglichkeit."

"Nicht kompatibel"

Gustav Wachter sieht überhaupt einen "paradoxen Effekt" bei der Umsetzung der Bologna-Studienarchitektur in Österreich: Ziel dabei sei eigentlich die Schaffung europaweit kompatibler Studien gewesen. "Das Ergebnis ist, dass wir nicht einmal in Österreich kompatible Studien haben", verweist er auf das Auseinanderdriften der Jus-Studienpläne an den einzelnen Fakultäten.

Selbst wenn den Fakultäten der Wunsch nach einer Wahlmöglichkeit für ein vierjähriges Bachelor-Studium erfüllt wird, stehen sie aber noch vor einigen Fragen - so etwa, welche Inhalte in einem daran anschließenden einjährigen Masterstudium noch vermittelt werden sollen. Für Hubert Hinterhofer ist klar, dass dies gegenüber dem derzeitigen vierjährigen Diplomstudium neue Inhalte sein sollten. Vorstellen könnte er sich dabei etwa ein Praxis-Semester. (APA)