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Die Aussicht auf eine Adoption im wohlhabenden Westen ist für rumänische Kinder nicht verlässlich eine gute.

Foto: Reuters/Bogdan Cristel
Graz/Bukarest - Ein glückliches Kind und strahlende Eltern - Das ging aus dem Dossier hervor, das Theodora Bertzi in Bukarest auf den Schreibtisch bekommen hatte: Alles sei in Ordnung mit dem zehnjährigen Buben, der im Jahr zuvor von einer US-Familie adoptiert worden war.

Das nächste, was die Leiterin der rumänischen Adoptionsbehörde bekam, war ein Pressebericht. Der glückliche Stiefvater, ein 38-jähriger Vorkämpfer für das öffentliche Herzeigen von Kindernacktfotos, war zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt worden - wegen Missbrauchs, begangen an seinem rumänischen Adoptivsohn. Heute sitzt der Bub wieder im Kinderheim; diesmal in den USA.

"Gefährliche" Reportagen

Rettet wenigstens die unschuldigen Kinder aus diesem armen, schrecklichen Land: Das ist der Impuls, den die vielen Reportagen vor allem über das Elend von Waisenhäusern und Straßenkindern im Ausland auslösen. Das Schwarz-Weiß-Bild kann mitunter gefährlich werden.

"Über das Schicksal von Kindern, die ins Ausland adoptiert worden sind, bekommen wir oft überhaupt keine Berichte", sagt Bertzi. Von mehr als 1500 Kindern, die zwischen 1996 und 2001 ins Ausland vermittelt wurden, hat die Behörde nie wieder etwas gehört. Zwar sind die Vermittlungsagenturen verpflichtet, so genannte Post-Adoptions-Berichte zu senden; nur tun sie es häufig nicht.

Sonderregelung Seit den 1990er-Jahren hatten zahlreiche Agenturen gegen Geld und unter fragwürdigen Bedingungen rumänische Kinder zu tausenden ins Ausland vermittelt. Deshalb hatte die rumänische Regierung 2001 auf Druck der EU-Kommission alle Auslandsadoptionen ausgesetzt.

Trotzdem ging der Kinderhandel weiter: Nach zwei Jahren kam heraus, dass trotz des Moratoriums wieder mehr als 1100 Kinder ins Ausland vermittelt worden waren - vor allem nach Italien. Auch von ihnen haben die Bukarester Behörden oft keine Spur.

Italiens damaliger Regierungschef Silvio Berlusconi hatte im privaten Gespräch mit seinem rumänischen Amtskollegen Adrian Nastase eine Sonderregelung erreicht. Nastase hat inzwischen wegen Korruptionsverdachts alle Ämter abgeben müssen.

Seit 2004 dürfen nur noch die eigenen Großeltern ein rumänisches Kind ins Ausland adoptieren - und Ausländer kommen nur zum Zug, wenn sie seit mindestens fünf Jahren in Rumänien leben.

Druck aus den USA Kurz vor der Entscheidung über Rumäniens EU-Beitrittstermin wächst der Druck auf die Regierung, Adoptionen ins Ausland doch wieder möglich zu machen. Nach einer Anhörung im Europäischen Parlament haben 120 Abgeordnete unter der Federführung des konservativen Franzosen Jean-Marie Cavada eine entsprechende Erklärung unterzeichnet und an die Regierung in Bukarest geschickt. Der Sozialist Pierre Moscovici, Berichterstatter des EU-Parlaments für Rumänien, hat ebenfalls erkennen lassen, dass er für eine Liberalisierung der Auslandsadoptionen eintritt.

Der stärkste Druck kommt aus den USA, wo - außer in Spanien - die meisten adoptionswilligen Eltern leben. Im April erreichte ein Abgeordneter, der Republikaner Christopher Smith, eine Resolution des Repräsentantenhauses. Adoption ins Ausland, argumentierte Smith, sei "viel besser als das Dahinwelken in einem Waisenhaus, wo die Kinder nur aufbewahrt werden".

Entgegnung

Solchen Schilderungen tritt Bertzi entschieden entgegen. Von fast 1100 Kindern, die Ausländer in den vergangenen Jahren adoptieren wollten, lebten nur noch 83 in Kinderheimen, sagt die liberale Politikerin. Alle anderen seien entweder wieder in ihren Familien, bei entfernteren Verwandten oder in rumänischen Familien untergekommen. Auch die klassischen Waisenhäuser haben inzwischen kinderdorfartigen Gruppen Platz gemacht.

Auf den neuen Druck aus Europa reagiert Bertzi gelassen. "Die EU-Abgeordneten machen nur ihren Job", sagt sie, "und vertreten die Interessen ihrer Staatsbürger." (Norbert Mappes-Niediek, DER STANDARD-Printausgabe, 23.05.2006)