Mit viel Liebe zum Detail...

Foto: STANDARD/Newald

...versetzte Architektin Silja Tillner...

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...ihr denkmalgeschütztes "Haus Rietveld" in der Werkbundsiedlung...

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...wieder in den Originalzustand.

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Wer in einem Architekturdenkmal wohnen will, braucht Finderglück und oft sehr viel Geduld und Geld für die Renovierung. Und er muss strenge Vorgaben akzeptieren: Die Bewohner müssen ihren Stil dem Haus anpassen. Wohnen à la Loos: zwei Beispiele aus Wien.

Es ist ein besonderes Gefühl, in einem Haus zu wohnen, das berühmter ist, als man selbst es vermutlich je sein wird, vor dem Touristen staunend stehen, das Architekten und Studenten besichtigen, dem Bücher gewidmet sind, das unter Denkmalschutz steht. Ein Haus, das "mehr einen Liebhaber als einen Bewohnern braucht", wie es Bruno Maldoner vom Bundesdenkmalamt ausdrückt. Denn wenn erhalten bleiben muss, was der Architekt entworfen hat, müssen sich die Bewohner dem Haus anpassen und sich dessen stilistischen Vorgaben fügen. Dann braucht es Gespür, um den Schrank vom schwedischen Möbeldiskonter stimmig zu platzieren. Die Wiener Architektin Silja Tillner, dank der Revitalisierung der Gürtelbögen mit historisch aufgeladenen Objekten vertraut, beweist dieses Gespür in ihrem privaten Baudenkmal.

Wer sich noch vor fünf Jahren vom Architekturführer in die grüne Peripherie von Hietzing locken ließ, traute seinen Augen nicht, wenn die angepeilte Woinovichgasse Nr. 14 erreicht war. Der Charme des als Architekturjuwel angepriesenen Hauses Rietveld aus dem Jahr 1931 erschloss sich nicht einmal auf den zweiten Blick: Viele Fenster und Türen waren mit verbeulten Blechplatten verkleidet, die Decken abgehängt, der Keller mit Gerümpel gefüllt, der kleine Garten hinterm Haus zubetoniert, damit das Auto des damaligen Besitzers leichter in die Garage rollen konnte. Was auch das Regenwasser leichter in den Keller rinnen ließ.

Original-Farbkonzept

"Es war eine Ruine", sagt Silja Tillner, die das 130 m² große Haus trotzdem gekauft hat und ein ganzes Jahr lang vom nicht isolierten Keller bis zum lecken Flachdach renovierte. Auch innen folgte Tillner detailgetreu bis in die Beschläge und unter Wiederherstellung des Original-Farbkonzepts für Türen und Fenster bis zum grauen Linoleumboden ganz dem Geist des Schöpfers, dem Niederländer Gerrit Rietveld.

Seither ist es schon auf den ersten Blick als Architekturjuwel zu erkennen und eines der wenigen Häuser der Werkbundsiedlung, mit denen das Bundesdenkmalamt seine Freude hat. Die 64 Anfang der 1930er-Jahre errichteten Gebäude sind allesamt denkmalgeschützt, jedoch teilweise in fatalem Zustand. Bröckelnder Verputz, feuchte Wände bis zum Giebel, rostende Balkone drohen das weltberühmte Ensemble der klassischen Moderne zu zerstören. Die Sanierung, seit Jahren angekündigt, soll 2007 begonnen werden, avisiert der zuständige Stadtrat Werner Faymann.

Silja Tillner hat für die Sanierung ihres Hauses Förderungen des Altstadterhaltungsfonds und des Bundesdenkmalamts erhalten, trotzdem musste sie zum Kaufpreis von 180.000 fast 80.000 Euro drauflegen, bis das Haus von Grund auf saniert war. Viel Geld, aber: "Anders hätte ich mir nie ein Haus mit Garten in Hietzing leisten können", erklärt sie pragmatisch.

Außerdem sollte es einem, wie auch Denkmalschützer Maldoner findet, "doch was wert sein, in einem Haus von Loos oder einem anderen großen Architekten zu wohnen".

"Loos hat's so gebaut"

Der idealtypische Bewohner eines Architekturdenkmals ist der Wiener Primar Sepp Leodolter, dessen Villa Scheu in Hietzing für Schlagzeilen sorgte: Die 1913 von Adolf Loos erbaute 400-m²-Villa steht seit Jahresbeginn für 2,2 Mio. Euro inklusive Originalmöblierung zum Verkauf. Leodolter ersteigerte 1977 das heruntergekommene, gedankenlos umgebaute Haus und setzte es in minutiöser Arbeit in den Ursprungszustand zurück. Stolz zeigt er die Artikel in internationalen Magazinen, Fotobände, Originalpläne her – ein dicker Stapel an Dokumenten über dieses Baukunstwerk, dem er seinen Tribut so zollt: "Wozu soll ich mir Gedanken machen, ob ich die Steckdosen lieber woanders hätte, ob mir eine andere Täfelung besser gefallen würde? Loos hat es so gebaut, und das ist ideal für mich."

Inzwischen wurde der Familie mit zwei erwachsenen Söhnen das Haus zu eng. 15 Interessenten waren vorstellig, keiner griff zu, obwohl solche Objekte auf dem Immobilienmarkt äußerst rar sind. "Wer in einem Architekturdenkmal wohnen will, braucht jahrelang Geduld", sagt der Makler Peter Marschall, der die Villa Scheu in Kooperation mit Christie's anbietet. "Aber das nimmt ein Liebhaber auf sich." (Susanne Rössler, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.5.2006)