Die EU-Verfassung ist eines der Themen, das Außenministerin Ursula Plassnik in Klosterneuburg mit ihren EU-KollegInnen diskutieren will.

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Ursula Plassnik erwartet für die Außenministerklausur nächstes Wochenende im Stift Klosterneuburg weder Zaubertricks noch Wunder. Sie sei gegen Rosinenpickerei bei der Verfassung und einen EU-Erweiterungsstopp, sagte die Außenamtschefin zu Christoph Prantner.

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STANDARD: Sie gehen kommendes Wochenende in klösterliche Klausur, um mit Ihren Außenministerkollegen über die Zukunft Europas nachzudenken. Sind vorpfingstliche Wunder zu erwarten?

Plassnik: Es gab den Wunsch, in einer Atmosphäre miteinander zu reden, in der man sich auch wirklich konzentrieren kann. Wir sind (nach den gescheiterten Verfassungsreferenda in den Niederlanden und Frankreich, Anm.) am Ende einer einjährigen Nachdenkpause. Die Frage ist: Wie gehen wir mit den größeren Zusammenhängen um? Ich vermeide Qualifizierungen wie Klausur oder Konklave. Es wird in Stift Klosterneuburg weder weißer Rauch aufsteigen oder ein weißes Kaninchen aus dem Hut gezogen.

STANDARD: Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat unlängst davon gesprochen, Teile aus der Verfassung herauszunehmen und umzusetzen. Ein gangbarer Weg?

Plassnik: Die Verfassung ist in 15 Ländern ratifiziert. Man kann nicht guten Gewissens einen Text, der in Parlamenten genehmigt wurde, ändern, straffen oder erweitern. Ohne Barroso kritisieren zu wollen, das wäre keine behutsame Vorgangsweise. Wir sollten nach einem gemeinsamen Weg der 27 suchen.

STANDARD: "Rosinenpicken" wäre kontraproduktiv?

Plassnik: Das ist nicht zielführend. Das darf uns aber nicht daran hindern, erstens genau zuzuhören, welche Botschaften wir von den Bürgern Europas übermittelt bekommen. Zweitens müssen wir schauen, wie wir die Arbeit der Union noch effizienter machen. Da lässt sich aus dem bereits bestehenden Vertragswerk noch einiges herausfiltern und umsetzen, das auch einen Mehrwert für die Bürger darstellt. Zum Beispiel Subsidiarität oder verbessertes Krisenmanagement. Für verschiedene Fragen gibt es noch keine konkrete Antwort. Da ist es wichtig, zumindest die nächsten Schritte sichtbar zu machen.

STANDARD: Präsident Chirac hat dem österreichischen Vorsitz Briefe übermittelt, in denen er seine Vorstellungen einer effizienteren EU darlegt. Was schwebt Chirac konkret vor?

Plassnik: Wir arbeiten bewusst mit Frankreich und den Niederlanden zusammen. Der französische Ansatz ist ein Europa der Projekte und der konkreten Resultate. Das findet auch in anderen Ländern Anklang. Bleiben wir nüchtern, machen wir Schritte, die wir realistisch auch setzen können. Beispiel Erweiterung: Es gibt im Moment keinen Anlass zur Atemlosigkeit bei diesem Thema. Es findet eine allgemeine Debatte statt, aber wir sind jetzt weit von jeder Entscheidungsnotwendigkeit entfernt. Natürlich ist der Gedanke verlockend, dass man eine Grenzlinie zieht und sagt: Punkt, Aus, Schluss. Das ist verfehlt. Wir haben zum Beispiel alles Interesse an einer europäischen Perspektive für den Balkan. Da sollte man keine Zweifel aufkommen lassen. Es geht ohne hin um Beitritte jetzt. Mit tut es etwa um jeden Tag leid, den Serbien verstreichen lässt.

STANDARD: Ein Problem, das die Bürger mit der Union haben, ist, dass sie nicht wissen, wohin die Reise geht. Muss man in der Klausur nicht auch die Frage der Finalität stellen? Was wird aus der EU? Staatenbund, Bundesstaat, etwas anderes?

Plassnik: Wenn sie Menschen auf der Straße danach fragen, können sie nichts mit Finalität anfangen. Ich frage lieber, wie wir konkret in Europa leben wollen. Wir hatten den Lateinamerikagipfel in Wien. Was die Lateinamerikaner fasziniert, ist, die Fähigkeit Europas, sozialen Ausgleich zu schaffen. Auch die Erweiterung 2004 ist eine Erfolgsgeschichte.

STANDARD: Wird auch Tagesgeschäft besprochen?

Plassnik: Wir dürften über den Iran reden. Für Teheran besteht die Möglichkeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Die EU arbeitet an einem Angebot. Es liegt am Iran, zwischen Selbstisolation oder Kooperation zu wählen. (DER STANDARD, Printausgabe 20./21.5.2006)