Kanzler Schüssel gab sich zum Thema Regierungsumbildung ahnungslos, Vizekanzler Gorbach mühte sich zu lächeln.

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Wien - Es waren seine fünf Minuten Ruhm. Normalerweise huscht Sigisbert Dolinschek relativ unbemerkt in den Ministerratssaal. Diesen Donnerstag aber dominierte der BZÖ-Sozialstaatssekretär die Schlagzeilen. War er doch der einzige, der vor dem Ministerrat offen aussprach, worüber viele munkeln: Er erwarte in Kürze eine Regierungsumbildung, weil jemand dem neuen BZÖ-Spitzenkandidaten weichen müsse. Ob Vizekanzler Hubert Gorbach abtreten müsse, darauf wollte sich Dolinschek nicht festlegen: "Es steht jeder zur Disposition." Kanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Gorbach taten im Pressefoyer nach dem Ministerrat vorerst dennoch so, als sei nichts Besonderes passiert. Schüssel referierte ungerührt über den Lateinamerikagipfel, Gorbach lobte elf Minuten lang seine Forschungsinitiativen. Als diese Ablenkungsmanöver erfolglos blieben und sich die Fragen vor allem um die Regierungsumbildung drehten, verlegte sich Gorbach darauf, Dolinschek kleinzureden. "Der Staatssekretär war von den Spekulationen der letzten Tage beeinträchtigt." Offenbar sei Dolinschek etwas "unsicher" geworden.

Drohung mit Neuwahl

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wollte das Thema nicht verblödeln, im Gegenteil. Er sagte ganz ernst: "An mich ist nicht herangetreten worden." Und setzte noch ernster und in Richtung Koalitionspartner nach: "Ich habe keine Regierungsumbildung vor und werde keine machen."

Durch diesen Satz fühlten sich jene Auguren bestätigt, die zu wissen glauben, dass die ÖVP keine Regierungsumbildung zulassen - und im Notfall Neuwahlen ausrufen will. Ob er wirklich eine Regierungsumbildung verweigere, darauf verweigerte Schüssel grantig die Antwort: "Warum soll ich mich mit hypothetischen Fragen beschäftigen? Wir sollten hier darüber reden, was im Ministerrat Thema war." Und über Regierungsumbildungen sei im Ministerrat überhaupt nicht geredet worden.

Haider: "Interessant"

Das bestätigten alle anderen Minister - in fast identer Wortwahl: "Mit mir ist darüber nicht gesprochen worden." Umweltminister Josef Pröll etwa gab sich ahnungslos: "Ich kenne keine Pläne und kann daher auch keine Bewertung abgeben."

Innenministerin Liese Prokop und Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat setzten hingegen ein Symbol: Beide kamen in den Koalitionsfarben zum Ministerrat - in schwarz-orangem Outfit. Ein Zufall, wie beide versicherten. Nichts gehört.

Aus der ÖVP-Ministerriege legte sich allein Schüssel-Vertraute Bildungsministerin Elisabeth Gehrer fest. Sie sagte in Brüssel: "Es gibt bis zur Wahl sicher keine Regierungsumbildung. Wir haben ein gutes Team, das arbeitet weiter."

BZÖ-Chef Jörg Haider gab sich genauso überrascht vom Vorstoß Dolinscheks wie alle anderen: "Da weiß Dolinschek mehr als ich." Das sei in Ordnung: "Ich muss nicht alles wissen." So als Unwissender könne er einer Regierungsumbildung aber etwas abgewinnen: "Das ist eine Überlegung, die interessant klingt." Die Entscheidung falle erst in einigen Tagen. Wie lange die Koalition halten werde? Auch darauf antwortete Haider kryptisch: "Wenn wir uns mehr einig sind, wird später gewählt, also im September, wenn wir uns weniger einig sind, früher, also im November." (DER STANDARD, Printausgabe, 19.5.2006)