Die "Haße" schmeckte dem Haubenkoch in Hütteldorf.

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Wien - Wer zu spät kommt, den bestraft die Burenwurst. Meisterkoch Reinhard Gerer ist am Hanappi-Stadion nämlich vorbeigefahren. Kurz nach Purkersdorf, aber doch noch ein Stück vor Gablitz, ist ihm das irgendwie merkwürdig vorgekommen. Dazu bedurfte es gar keines dezenten Hinweises seines Sohnes Fabian, auch dessen Freund Moritz war sich der Sache sicher. Hier spielt nie und nimmer Rapid. Also kehrten sie um.

Beginnt ein Fußballmatch am Samstag um 18:30 Uhr, und war es telefonisch ausgemacht, sich eine halbe Stunde vor Anpfiff zu treffen (nicht auf dem Riederberg, sondern vorm Haupteingang der Südtribüne), kann 18:42 Uhr einfach nicht stimmen. Was Herr Gerer überhaupt nicht abgestritten hat. "Das Stadion war nirgends angeschrieben, ich bin dem Wegweiser Hütteldorf gefolgt, ein Irrtum, Entschuldigung. Das Auto steht in der Tiefgarage."

Zur Strafe eine Burenwurst

Wer verzeiht, zeigt prinzipiell Größe. Wobei im konkreten Fall das Opfer zunächst ganz bewusst klein geblieben ist. Der Täter, also Herr Gerer (die zwölfjährigen Kinder konnten nichts dafür, sie sind strafunmündig), durfte schon aus generalpräventiven Gründen nicht ungeschoren davon kommen. "Zur Strafe lade ich sie auf eine Burenwurst ein. Auf dass ihre Geschmacksnerven nachhaltig geschädigt sind, und sie von Fettaugen träumen. Die Gäste im Korso werden sich wundern, ein paar Hauben wird man schnell los. Ein Bier aus dem Plastikpfand-Becher müssen sie auch entsorgen."

Der Koch blieb gelassen und verblüffte. "Danke, ich und die Buam haben eh Hunger und Durst." Worauf der auf Rache Sinnende ein bisserl wie ein Trottel dagestanden ist. Fabian und Moritz wählten übrigens je ein Paar Frankfurter mit süßem Senf, nur eines der vier Würstel war aufgesprungen, das lag eindeutig unter der Toleranzgrenze.

Gerer, bereits auf der Tribüne sitzend ("a echt gute Stimmung, der Platzsprecher hat an Schmäh"), biss vorurteilsfrei in die Burenhaut, nachdem er sie in eine Mischung aus Süß und Scharf (Gourmet-Tipp, es gibt beim Senf ein Miteinander) getaucht hatte. Er ist weder grün angelaufen, noch hat er sich von der 13. Reihe aus in die zwölfte übergeben, ein "gar nicht schlecht" war die enttäuschende Reaktion. "Bier aus Plastik ist nicht ideal, aber der Anspruch muss sich der Wirklichkeit anpassen. Das passt. Auf den Fußballplatz gehören Schnitzelsemmel und Burenwurst. Sie sollen halt keine Salmonellen haben. Wobei man die nicht schmeckt, sondern spürt."

Schiff und Land

Gerer ist "eher Rapid-Fan". Fabian ist "eher Rapid-Fan". Moritz ist "schon eher Rapid-Fan". Der Koch gestand ein, noch nie ein Rapid-Spiel live im St. Hanappi erlebt zu haben, ausreichend selten hat er im Happel-Stadion ein Ländermatch besucht. Auf Einladung. Im VIP-Klub. "Um ausfällig zu werden, brauche ich den Fußballplatz nicht. Man muss ja auch nicht unbedingt als Schiffskoch anheuern, um Alkoholiker zu werden. Das klappt am Land genauso."

Die Regeln des Spiels beherrscht er durchaus. "Wenn einer am Boden liegt und sich wälzt, hat er was oder nicht." Rapid schießt gegen Ried Tor um Tor, insgesamt sechs. Der Gerer pascht, schreit "Super", kann die kritischen Transparente der Fans kaum nachvollziehen. "Was wollen die, die gewinnen eh. Ah, sie sind nur Fünfter, deshalb." Dass es eine Rapid-Viertelstunde gibt, hat er irgendwann und irgendwo aufgeschnappt, "mit der Frage nach dem Warum habe ich mich aber nicht beschäftigt".

Fußballer und Köche, so Gerer, "haben Gemeinsamkeiten. Sie sind sensible Menschen. Einer muss sich auf den anderen verlassen können. Jeder spielt eine Rolle. Einer macht die Vorspeise, der andere den Hauptgang, einer verteidigt, der andere stürmt. Schuld sind Trainer und Chefkoch."

Gerer droht übrigens ein familiäres Problemchen. Denn Fabian ("mein Papa kocht echt super") hat es auf der roten Volkstribüne weit besser gefallen als im langweiligen VIP-Klub. Beide sind nach dem 6:0 überzeugte "eher Rapid-Fans". Die nächste Burenhaut kommt bestimmt. Straflos. (Christian Hackl, DER STANDARD Printausgabe 15.05.2006)