Vorsichtige Annäherungsversuche: DER STANDARD lud Oberösterreichs Landes- hauptmann Josef Pühringer (li.) und seinen Vize Erich Haider zum Streitgespräch. Seit der Landtagswahl 2003 sind sie sich nicht mehr ganz grün.

Foto: Erich Petschenig

Zur Person Josef Pühringer (55), promovierter Jurist, ist seit 1995 Landeshauptmann von Oberösterreich. Der deklarierte Anhänger einer großen Koalition auf Bundesebene verweigerte Schwarz-Blau II im ÖVP-Vorstand seine Zustimmung. Im Herbst 2003 schmiedete der VP-Landeschef die österreichweit erste schwarzgrüne Koalition. Der Vater dreier Kinder gehört zum christlich-sozialliberalen Flügel der ÖVP.

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Erich Haider (49), diplomierter Informatiker, ist seit 1997 als Verkehrslandesrat Mitglied der oberösterreichischen Landesregierung. Seit 2000 ist der SP-Landeschef stellvertretender Landeshauptmann und Vize-Bundesparteichef der SPÖ. Beim Voest-Verkauf besetzte der Vater zweier Kinder prononciert linke Positionen und fuhr so bei der Landtagswahl ’03 plus 11,3 Prozentpunkte ein.

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Landeshauptmann Josef Pühringer (VP) und sein Stellvertreter Erich Haider (SP) gerieten im Standard- Streitgespräch über Bawag, Polemiker und Edel-Populisten heftig aneinander. Markus Rohrhofer moderierte das verbale Duell.

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STANDARD: Herr Landeshauptmann, hat die SPÖ aus Ihrer Sicht ausreichend Wirtschaftskompetenz?

Pühringer: Die Antwort ist sehr einfach: Die ÖVP hat eine größere und bessere Wirtschaftskompetenz als die Sozialdemokraten. Die SPÖ hat vor allem in den Bereichen, wo sie vollkommen alleine entscheiden konnte - etwa beim Konsum -, in manchen Unternehmungen keine Bravourleistungen hingelegt. Ich stelle nur fest, dort wo die Fehler in der Bawag passiert sind, war sicherlich keiner aus der ÖVP verantwortlich. Das ist eine Verantwortung, von der sich die SPÖ jetzt nicht so einfach abmelden kann. Mir geht es jetzt nicht darum, eine Bank kaputt zu machen. Und der Herr Verzetnitsch tut mir rein persönlich leid, weil ich ihn immer für einen sehr gemäßigten Sozialdemokraten gehalten habe. Aber es muss klar gesagt werden, wer hier Fehler gemacht und Schuld hat, und da bin ich mir ganz sicher, dass es die ÖVP überhaupt nicht trifft.

Haider: Hauptsache, Sie sind sich sicher. Die schweren Verfehlungen und der grobe Missbrauch durch diverse Bawag-Manager ist mit Sicherheit zutiefst abzulehnen und gehört rechtlich massiv bestraft. Die Darstellung, dass das eine reine SPÖ-Angelegenheit ist aber völlig falsch. Im Bawag-Aufsichtsrat waren immerhin der bayrische Finanzminister Kurt Faltlhauser und andere ÖVP-nahe Wirtschaftsspitzen jahrelang Mitglied. Vor allem hat aber Finanzminister Karl-Heinz Grasser durch einen Bericht der Nationalbank über die Spekulationen und die Haftung des ÖGB detaillierte Informationen seit dem Jahr 2001 gehabt. Nicht nur einige wenige ÖGB-Spitzen haben also Bescheid gewusst, sondern auch das gesamte Finanzministerium.

STANDARD: Ist es, abgesehen von der offensichtlich schwer zu klärenden Schuldfrage, jetzt nicht schwer für die SPÖ, Überzeugungsarbeit beim Wähler zu leisten? Haider: Natürlich ist der Bawag-Skandal keine Unterstützung für die SPÖ, sondern eine schwere Hypothek, aber unsere Stärken und Voraussetzungen für die Nationalratswahl sind ja nach wie vor gegeben. Ich glaube, dass die SPÖ für den Wahlkampf sehr wohl gerüstet ist, obwohl sich natürlich an der Hypothek Bawag sehr leidet. Es wird aber im Herbst nicht über eine Bank abgestimmt, sondern vor allem über die Regierung Schüssel. Und die hat die Menschen massiv geschädigt - die Bawag bisher nicht. Nie verstehen werde ich übrigens auch, warum ein Bundeskanzler zur Bawag-Sparbucheröffnung einen Vizekanzler, Finanzminister, Nationalratspräsidenten und Landeshauptmann braucht.

Pühringer (lacht): Erstens war die ÖVP nicht im Bawag-Aufsichtsrat, und zweitens ist es ein starkes Stück, die ÖVP überhaupt in die Nähe der Bawag zu bringen. In der Situation in der sich die SPÖ befindet - nicht nur wegen der Bawag, wir können auch über den Arbö oder ähnliche Dinge reden - würden es der SPÖ gut anstehen, ein bisschen demütiger zu sein. Es ist zu akzeptieren, dass die viel gescholtene Regierung Schüssel jetzt das Rettungspaket für die Bank-Kunden und Sparer schnürt. Wirtschaftskompetenz wird auch an den Leuten gemessen, die vom Wirtschaften etwas verstehen.

Haider: Einspruch! Ich habe zufällig einen pensionierten Direktor der deutschen Bundesbank getroffen und der hat mir mitgeteilt, die Äußerung von Wolfgang Schüssel - "Der Bawag steht das Wasser bis zum Hals" - und der Vergleich mit Hochwasser hätte in Deutschland große Empörung ausgelöst. In Bank- und Wirtschaftskreisen ist so eine Äußerung unvorstellbar, weil sie höchst schädlich ist. In Deutschland müsste Schüssel sofort zurücktreten. Festhalten möchte ich noch, dass ich nicht die ÖVP in Bawag-Nähe gerückt habe, sondern nur festgestellt habe, dass der ehemalige CSU-Finanzminister Faltlhauser im Aufsichtsrat gesessen ist, genauso wie der Ex-Siemensgeneraldirektor Albert Hochleitner.

Pühringer: Das würde also zum Rückschluss führen, dass Österreich die Bankenaufsicht insbesondere bei SPÖ-geführten Unternehmen deutlich verschärfen müsste. Außerdem ist es schon tröstlich für mich, wenn sie Herr Kollege Haider - nur um irgendwelche Leute zu nennen, die da dabei waren - auf CSU-Politiker ausweichen muss, weil es ÖVP-Politiker hier wirklich nicht gibt. Und dass die Flöttls, Weningers und Elsners, oder wie sie alle heißen, der Bank mehr geschadet haben als ein Spruch des Herrn Bundeskanzlers, den die SPÖ völlig aus dem Zusammenhang gerissen hat, steht wohl außer Diskussion.

STANDARD: Hat die SPÖ das Dank-Schreiben an die Regierung nach der Bawag-Rettung schon aufgesetzt?

Haider: Nein, denn wenn jemand zuerst Öl ins Feuer gießt und dann das tut, was die Bundesregierung sowieso tun muss, ist das nicht unbedingt eine Glanzleistung. Schüssel war doch noch nie der Retter. Wir haben heute die höchsten Arbeitslosenzahlen seit 1945 und eine eklatant hohe Kriminalitätsrate, die in den letzten fünf Jahren um 25 Prozent angestiegen ist . . .

Pühringer: . . .hören Sie doch endlich mit diesen Halbwahrheiten auf. Natürlich ist jeder Arbeitslose zu viel, aber Faktum ist, dass wir heute auch die höchste Beschäftigungsquote haben. Dass die Arbeitslosenquote erst leicht im Sinken ist, hat internationale Gründe. Vor allem sind wir gerade in einer Phase, wo mehr Leute in den Arbeitsmarkt hineingehen als herauskommen. Sie wissen das genau, aber ich kenn Sie schon zu lange und weiß daher, dass Sie nie aufhören werden, dieses Land schlecht zu reden.

Haider: Geh, san S' bitte net immer so polemisch, Herr Kollege.

Pühringer: Da redet der Richtige. Sie sind ja weit schärfer geworden, Sie Edel-Populist, Sie. Es kann doch nicht sein, dass sie seit Jahren gegen die ÖVP in einem gnadenlosen Populismus vorgehen, und wenn man es Ihnen dann vorhält, spielen Sie den Beleidigten. Aber die Kassandras sind eh noch nie gewählt worden. Ich bemühe mich, dass es noch besser wird - das ist unser Unterschied. Dieses Land hat ihr Schlechtmachen nicht verdient.

Haider: Es wird niemand schlecht gemacht. Es geht um eine Leistungsbilanz der Regierung Schüssel und die besagt, dass es mehr Arbeitslose als im Jahr 2000 gibt, wir haben mehr Straftaten und die Zahl der Menschen, die an der Armutsgrenze leben ist höher geworden. Über diese Fakten kommt man nicht hinweg, da muss man Maßnahmen setzten. Und ich verwende nur die Zahlen des Innenministeriums und des AMS, Sie brauchen mir daher keine Polemik vorwerfen.

Pühringer: Um das klar zu stellen, die wenigsten Menschen sind in Oberösterreich armutsgefährdet, die meisten in Wien. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass Wien seit 1945 rot, Oberösterreich schwarz regiert wird.

STANDARD: Hat die ÖVP den Wahlsieg jetzt dank Bawag und ÖGB bereits in der Tasche?

Pühringer: Nein, die ÖVP muss kämpfen bis zum letzten Tag. Ich warne alle meine Mitarbeiter und Funktionäre davor, sich jetzt zurückzulehnen und zu sagen "Die Bawag ist ein Selbstläufer".

Haider: Beschäftigung, Sicherheit, Pensionen, Bildung und Gesundheit - über diese Themen wird abgestimmt. Und da werden wir punkten.

STANDARD: Wie schmutzig wird der Wahlkampf? Haider: Die Frage muss man an den Herrn Lopatka von der ÖVP richten. Ich persönlich stehe dafür, mit Konzepten und klaren Alternativen zu argumentieren und letztlich erfolgreich zu punkten.

Pühringer: Wenn der Herr Kollege Haider, dessen Partei und Funktionäre nach dem Landtagswahlkampf 2003 selbst von Gerichten verurteilt wurden, zur Fairness aufruft, ist das löblich, die Glaubwürdigkeit muss aber erst überprüft werden. Ich selber halte gar nichts von einem schmutzigen Wahlkampf. (DER STANDARD, Printausgabe 13./14.5.2006)