Edward Krasinskis Installation mit Starkstromkabel in der Warschauer Galerie Foksal 1966.

Foto: Generali Foundation
Wien – "Edward Krasinski, das ist doch der mit dem blauen Band!" Viel mehr ist über einen der wichtigsten Vertreter der Neo-Avantgarde Polens der 1960er- und 70er-Jahre nur wenigen bekannt.

Die Generali Foundation widmet Edward Krasinski nun eine Retrospektive. Es ist die erste seit dem Tod des Künstlers 2004. Zu Lebzeiten hat der sich selbst schon einmal eine Retrospektive ausgerichtet. Und natürlich zieht sich das blaue Band auch durch die Generali Foundation.

Und dennoch sind es andere Farben, die die Schau derart bemerkenswert machen: jene bunten Töne nämlich, in die Edward Krasinski manche seiner Skulpturen getaucht hat. Das übliche Schwarz-Weiß der Werkdokumentationen aus den 60er- und 70er- Jahren hat diesen Aspekt völlig gelöscht. Viele der Exponate in der Generali Foundation sind seit diesen frühen Tagen in der legendären Warschauer Galerie Foksal – die Krasinski 1966 mitgegründet hat – erstmals zu sehen. Und: eben überraschend bunt.

"Scotch Tape"

Das "blaue Band" kam in den 60er-Jahren als handelsübliches "Scotch Tape" in Krasinskis stets auch ironisches Spiel und zu seiner Rolle als Instrument einer konzeptuellen Strategie. Stets in einer Höhe von 130 cm angebracht, verlieh es den unterschiedlichsten Trägern teils absurden Zusammenhang, war letztlich ein Verweis darauf, die Dingwelt komplexer denn üblich, die Gegenstände des Alltags nicht isoliert voneinander zu betrachten.

Gemeinsam mit seinem Freund Daniel Buren brachte Krasinski "sein" Band auch im Pariser Museum Moderner Kunst und auf den Auslagen diverser Galerien an. Und: Der schnell zum Markenzeichen avancierte Klebstoff kam auch immateriell zum Einsatz. So etwa zur Biennale 1970 in Tokio, zu der Edward Krasinskis Werke nicht rechtzeitig eingetroffen waren. Als Reaktion auf die Verspätung ließ Krasinski das Wort "Blue" 5000-mal per Telex nach Tokio übermitteln und den derart entstandenen langen Lochstreifen stellvertretend ausstellen. Im Lauf der Biennale trafen die Arbeiten dann doch ein und wurden gemäß den exakten Zeichnungen installiert. Sowohl der Raum in Tokio als auch ein Raum der Galerie Foksal in Warschau wurden in der Generali annähernd originalgetreu nachgebaut und – soweit möglich – mit den Originalwerken versehen.

Die Räume zeigen eine ungemein zwingende und logische Anordnung simpler Objekte, vexieren zwischen konzeptueller Strenge und entwaffnendem Witz. Ebenso teilrekonstruiert ist Krasi´nskis Warschauer Atelier, das er 1988 vom polnischen Konstruktivisten Henryk Stazewski übernommen hat.

Sowohl das Studio als auch dessen Vormieter werden in einer vielschichtigen Verschränkung von Realität und Dokumentation, von Objekten und deren Abbildern zu einem Teilhabe fordernden Environment, das ebenso Edward Krasi´nskis Werk thematisiert wie dessen Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte.

Krasi´nski zu "seinem" Streifen: "Ich habe es gern, wenn er an unterschiedlichen Orten auftaucht, die für eine Präsentation von Kunst gar nicht geeignet sind, die nicht geweiht sind. Ein Museum ist ein Ort, wo das Schöne präsent sein soll. Doch dieser Strich muss nicht, kann gar nicht schön sein. Ich kann das Schöne nicht ausstehen. Der Streifen muss irgendwo präsent sein und muss dazu die Bedingungen haben. Ein Museum bietet solche Bedingungen nicht." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.5.2006)